Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)
ununterbrochenes Hecheln, das Geräusch von zerdrücktem weichem Laub und aneinanderschlagenden Karabinerhaken. Sie trieften vor Schweiß. Ihre Züge verhärteten sich von der Müdigkeit, als verschwinde das Fleisch aus ihrem Gesicht. Man sah nur noch Knochen, von der Anstrengung hervorgerufene Falten, wie ein Netz von dünnen Kabeln, den Mund, den sie nicht mehr schließen konnten, die weit aufgerissenen Augen der keuchenden Europäer und die zu Schlitzen zusammengekniffenen Augen der mit kleinen Schritten rennenden Thai. Sie hörten ein ununterbrochenes Grollen, das sie wegen der Entfernung, der dichten Vegetation und der wild durcheinander wachsenden Bäume nur verschwommen wahrnahmen. Bomben und Geschosse explodierten irgendwo in der Ferne, in der Richtung, auf die sie sich zubewegten.
Sie stießen zufällig auf eine Gruppe von Vietminh, aber das musste ja irgendwann geschehen. Es waren viele, die heimlich durch diese unbewohnten Wälder liefen. Die Soldaten saßen an Bäume gelehnt auf der Erde. Sie hatten ihre chinesischen Gewehre zusammengestellt, unterhielten sich lachend, manche rauchten, andere tranken einen Schluck aus strohumflochtenen Flaschen und wieder andere reckten den nackten Oberkörper; sie waren alle sehr jung, sie machten eine Pause und plauderten. Ein mitten in ihrem Kreis auf dicken Säcken ruhendes Manufrance -Fahrrad glich einem kranken Maultier.
Der Moment, in dem sie die Vietminh erblickten, währte höchstens ein paar Sekunden, doch die Gedanken arbeiten sehr schnell; daher genügte dieser kurze Moment, um Salagnon voller Überraschung feststellen zu lassen, wie jung, zart und elegant sie waren und mit welch fröhlicher Miene sie sich völlig ungezwungen zusammengesetzt hatten. Diese jungen Leute hier waren plötzlich all den Zwängen entkommen, die auf den Menschen in Vietnam lasteten, den Zwängen dörflichen, feudalen, kolonialen Gepräges. Sobald sie im Wald waren und ihre Waffen abgelegt hatten, konnten sie sich frei fühlen und erleichtert auflachen. Diese Gedanken schossen Salagnon durch den Kopf, während er mit der Waffe in der Hand den Hang hinabrannte, es waren unausgereifte, zusammenhangslose Gedanken, aber sie hatten die Macht der Gewissheit: Die jungen kriegsführenden Vietnamesen waren jünger, gewandter und viel glücklicher darüber, zusammen zu sein, als die Soldaten des französischen Expeditionskorps, die, von Müdigkeit und Unruhe aufgerieben, sich erst kurz vor dem großen Knall gegenseitig unterstützten, sich erst im allgemeinen Schiffbruch die Hand reichten. Aber vielleicht lag das auch nur daran, dass die Gesichter so andersartig waren und er die der anderen so schlecht zu deuten vermochte.
Ein Kuli beschäftigte sich mit dem Hinterrad des auf dem Boden liegenden Fahrrads. Er pumpte den Reifen mit einer Luftpumpe auf, und die anderen, die nichts taten, um ihm zu helfen, ermutigten ihn lachend. Bis zum letzten Augenblick sahen sie einander nicht. Die bewaffnete Gruppe von Franzosen und Thai rannte den Hang hinab, den Blick auf den Boden vor ihren Füßen gerichtet; die Vietnamesen sahen dem Kuli zu, der mit schnellen Bewegungen die Handpumpe bediente. Sie sahen sich erst im letzten Moment, und niemand wusste, was er tat, sie handelten alle aus einem Reflex heraus. Moreau trug ein Schnellfeuergewehr über die Schulter gehängt und hielt mit der Hand den Griff fest, damit die Waffe nicht hin und her rutschte; er schoss, ohne stehenzubleiben, und mehrere der auf dem Boden sitzenden Vietminh brachen zusammen. Die anderen versuchten aufzustehen und wurden getötet, sie versuchten, ihre Gewehre zu nehmen und wurden getötet, sie versuchten zu fliehen und wurden getötet, die Gewehrpyramide stürzte in sich zusammen, der vor dem Fahrrad kniende Kuli ließ die noch am Reifen befestigte Luftpumpe los und richtete sich auf, wurde von einer einzigen Kugel in die Brust getroffen und brach zusammen. Ein Vietnamese, der sich ein wenig entfernt und seinen Gürtel hinter einem Busch abgenommen hatte, nahm eine Handgranate, die daran befestigt war. Einer der Thai erschoss ihn, der Vietnamese ließ die Handgranate fallen, und sie rollte den Abhang hinab. Salagnon spürte einen starken Schlag gegen den Schenkel, einen Schlag gegen die Hüfte, sodass er die Balance verlor und zu Boden stürzte. Es wurde still. All das hatte nur ein paar Sekunden gedauert, nur so lange, wie die Männer brauchten, um einen Hang hinabzurennen. Die Sache mit Worten auszudrücken heißt schon sie zu
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