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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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Handgranaten geworfen. Männer standen sich gegenüber, ergriffen einander am Hemd und schlitzten sich mit dem Messer den Bauch auf.
    Amphibienpanzer krochen aus dem Fluss wie schwarze, glänzende Riesenkröten, vor ihnen ein Flammenheer und hinter ihnen knatternder Rauch. Von Wasser triefend erklommen sie das schlammige Ufer und gingen zum Gegenangriff über. Kleine Flugzeuge flogen mit lautem Dröhnen über die Bäume, und hinter ihnen ging der Wald in Flammen auf, mitsamt allen Menschen, die sich darin befanden. Bewaffnete Flussboote mit leerem Laderaum kamen den Fluss hinauf. Die Soldaten verließen die verschanzten Gräben, das Kriegsmaterial wurde unbrauchbar gemacht, Geschosse und Handgranaten wurden zurückgelassen und vermint. »Und mein Fahrrad?«, fragte Salagnon, als man ihn zum Flussboot brachte. »Was ist mit Ihrem Fahrrad?« »Das Fahrrad, das ich mitgebracht habe. Ich habe es den Vietminh weggenommen.« »Fahren die Vietminh im Dschungel etwa Fahrrad?« »Sie transportieren damit Reis. Das müssen wir unbedingt in Hanoi zeigen.« »Glauben Sie vielleicht, wir hätten hier Platz für ein Fahrrad? Wollen Sie mit dem Fahrrad heimfahren, Salagnon?« Die Männer gingen an Bord, ohne zu rennen, trugen die Verwundeten und die Toten. Geschosse gingen aufs Geratewohl nieder, manchmal ins Wasser, manchmal auf die Ufer, wo sie Schlammfontänen aufspritzen ließen. Ein Flussboot wurde getroffen, ein Geschoss verwüstete den Laderaum und dessen Insassen. Es trieb brennend in der Strömung des Flusses. Gascard verschwand in einem Wirbel aus mit Blut vermischtem braunem Wasser. Salagnon, der auf dem vibrierenden Metallboden lag, hielt es vor Schmerzen nicht mehr aus.
    Er wachte im Militärhospital in einem großen Saal auf, in dem Verwundete in einer langen Reihe parallel aufgestellter Betten lagen. Abgemagerte Männer ruhten auf sauberen Laken, blickten träumend auf den Deckenventilator, sie seufzten, drehten sich manchmal auf die andere Seite und bemühten sich dabei, den Tropf nicht abzureißen und keinen Druck auf ihren Verband auszuüben. Sanftes Licht fiel durch große geöffnete Fenster, vor denen weiße, sich kaum bewegende Gardinen hingen. Sie warfen leichte Schatten auf die Wände, auf die verblichene, von der tropischen Feuchtigkeit angefressene Farbe; diese allmähliche Verflüssigung ließ ihre Körper besser genesen als alle Medikamente. Manche starben, indem sie sanft entschliefen.
    Am Ende der Reihe von Betten, sehr weit vom Fenster entfernt, konnte ein Mann, dem man ein Bein abgenommen hatte, nicht schlafen. Er klagte halblaut auf Deutsch, wiederholte mit einer Kinderstimme immer wieder dieselben Worte. Ein großer Typ am anderen Ende der Reihe warf das Laken zurück, stand mit einem Satz auf, humpelte mit verzogenem Gesicht an der ganzen Reihe von Betten entlang und stützte sich dabei auf deren Metallrahmen. Als er vor dem Bett des jammernden Mannes ankam, richtete er sich ganz steif in seinem Schlafanzug auf und schnauzte ihn auf Deutsch an. Der Mann senkte den Kopf, sagte: »Ja, Herr Obersturmführer« und verstummte. Der Offizier humpelte mit einer Grimasse zu seinem Bett zurück und legte sich wieder hin. Anschließend waren in dem großen Saal nur noch friedliche Atemzüge, summende Fliegen und das Quietschen des großen Deckenventilators zu hören, der sich nicht sehr schnell drehte. Salagnon schlief wieder ein.
    Und danach? Während Victorien Salagnon allmählich von seiner Verwundung genas, ging draußen der Krieg weiter. Zu jeder Tageszeit durchquerten motorisierte Kolonnen Hanoi, fuhren in alle Winkel des Deltas, kamen aus dem Hochland zurück. Die Lastwagen luden im Hof des Militärhospitals Verwundete ab, schlecht verbundene, marschunfähige Männer, die von Soldaten auf Bahren getragen wurden oder wenn sie sich noch auf den Beinen halten konnten, von Krankenschwestern gestützt bis zu einem freien Bett geführt wurden. Sie ließen sich mit einem Seufzer aufs Bett sinken, inhalierten den Duft der sauberen Laken und schliefen oft sofort ein, bis auf jene, die zu sehr an ihren verkrusteten Verletzungen litten; dann kam ein Arzt vorbei und gab ihnen Morphiumtabletten, um ihre Schmerzen zu lindern. Hubschrauber, jene seltsamen Flugmaschinen, landeten auf dem Dach und brachten Schwerverwundete in nicht wiederzuerkennender Uniform, mit geschwärztem Körper und derart angeschwollenem Fleisch, dass man sie auf dem Luftweg transportieren musste. Flugzeuge flogen über Hanoi, Jagdbomber, die

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