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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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immer diesen schmerzhaften Weg in den Wäldern von Tonkin ein, er würde sich an jeden Schritt erinnern, an jede Einzelheit dieser Region des Hochlands. Sie flohen, verfolgt von einem Regiment unerbittlicher Vietminh, das sie eingeholt hätte wie das Meer bei Flut, wenn sie haltgemacht hätten, um wieder zu Atem zu kommen. Sie liefen weiter. Schließlich verlor Salagnon das Bewusstsein.
    Das Dorf lag noch etwas mehr in Trümmern als zuvor, war aber inzwischen besser befestigt. Von den Gebäuden aus Mauerwerk blieben nur noch einzelne durchlöcherte Wände übrig. Allein die solide gebaute Kirche stand noch aufrecht mit einer unversehrten Dachhälfte über dem Altar. Hinter aufgestapelten Sandsäcken verbargen sich Erdlöcher, Schützengräben, Stellungen von Artilleriegeschützen, deren Rohre nur eine schwache Schräge hatten, um Ziele in größerer Nähe zu treffen.
    Salagnon wachte aus seiner Ohnmacht auf, als er in der Kirche lag. Lichtstrahlen drangen durch die Löcher in den Wänden, was das Halbdunkel, in dem er lag, noch verstärkte. Man hatte ihn auf der blutverklebten Bahre liegen lassen. Aus den jungen, mit dem Haumesser abgeschlagenen Baumstämmen floss noch etwas Saft. Seine Hose war sorgsam abgeschnitten worden, seine Wunde auf dem Schenkel war gereinigt und verbunden worden, doch er hatte von all dem nichts gemerkt. Der Schmerz hatte nachgelassen, sein Schenkel pochte nur noch wie ein Herz. Man hatte ihm vermutlich Morphium gegeben. Andere Verwundete lagen parallel zu ihm im Halbdunkel, schliefen und atmeten regelmäßig. Er hatte den Eindruck, dass sich in der unversehrten Apsis noch weitere Menschen befanden. Sie schienen sehr zahlreich zu sein für einen so begrenzten Raum. Er konnte sie schlecht erkennen; er verstand nicht, wie sie angeordnet waren. Als sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, begriff er, dass es sich um Tote handelte. Sie waren aufgestapelt wie Feuerholz. In der obersten Schicht erkannte er Moreau, der auf dem Rücken lag. Seine Kehle war schwarz, und sein schmaler Mund endlich entspannt, fast lächelnd. Die Thai hatten ihn anscheinend gekämmt, bevor sie seine Leiche übergeben hatten, denn sein Scheitel war glatt gezogen und sein schmaler Schnurrbart glänzte wie eh und je.
    »Sehr eindrucksvoll, nicht wahr?«
    Der Deutsche hatte sich neben ihn hingehockt, Salagnon hatte ihn nicht kommen hören, vielleicht war er schon seit einer Weile da und hatte zugesehen, wie er schlief. Er wies auf die Apsis.
    »Wir machen das hier wie in Stalingrad. Es gab zu viele Tote, um sie zu begraben, und wir hatten weder die Kraft noch die Zeit, den gefrorenen Boden aufzuhacken; er war hart wie Glas. Aber wir wollten sie nicht dort lassen, wo sie gefallen waren, zumindest zu Beginn, und daher haben wir sie eingesammelt und aufgestapelt. Wie hier. Aber gefrorene Leichen zeigen mehr Haltung. Sie harrten aus, ohne sich zu rühren, bis wir den Kampf beendet hatten. Diese hier fallen ein bisschen in sich zusammen.«
    Salagnon gelang es nicht, die Leichen zu zählen, die neben ihm lagen. Sie verschmolzen allmählich miteinander. Manchmal gaben sie einen leisen Seufzer von sich und sackten noch weiter zusammen. Sie rochen nicht besonders gut. Aber auch der Boden roch nicht besonders gut, und seine Bahre auch nicht, und nicht einmal die Luft, in der ein Geruch nach Pulver, nach Verbranntem, nach Gummi und nach Benzin hing.
    »Wir haben sie nie begraben, denn im Frühling waren wir nicht mehr da, und ich weiß nicht, was die Russen mit ihnen gemacht haben. Aber diese hier versuchen wir mit nach Hause zu nehmen«, fuhr der Deutsche fort. »Und Sie auch. Machen Sie sich keine Sorgen, Sie nehmen wir lebend mit, wenn wir können.«
    »Wann?«
    »Sobald wir können. Es ist immer schwer zu verschwinden. Sie wollen uns nicht abziehen lassen. Sie greifen uns jeden Tag an, und wir halten ihnen stand. Wenn wir weggehen, fallen sie uns in den Rücken und das würde ein Blutbad geben. Daher bleiben wir. Sie greifen uns bestimmt heute noch an, und heute Nacht und morgen, ohne Rücksicht auf ihre Verluste. Sie wollen zeigen, dass sie uns bekämpfen. Und wir wollen zeigen, dass wir eine Evakuierung durchzuführen verstehen. Wie in Dünkirchen, mein Lieber, aber eine Dünkirchen-Operation, die als ein Erfolg angesehen wird. Das sagt Ihnen vielleicht noch etwas.«
    »Ich war damals noch ziemlich jung.«
    »Das hat man Ihnen sicher erzählt. Hier in unserer Situation ist ein gut organisierter Rückzug so gut wie ein

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