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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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zerzauster Vietnamese tauchte ganz plötzlich in dem Lokal auf. Die zitternden Flammen warfen rotes Licht auf ihn, er schwang eine Pistole und versuchte das Halbdunkel mit den Blicken zu durchbohren. Er entdeckte die goldverzierten weißen Hemden, schoss auf die Luftwaffenoffiziere und schrie dabei mit starkem Akzent: »Verbrecher! Verbrecher!« Sie stürzten getroffen nieder oder warfen sich auf den Boden. Der Vietnamese blieb mit der Pistole in der Hand in der Türöffnung stehen. Er wandte sich Salagnon zu, der noch immer am Tisch saß und seine Suppenschale in den Händen hielt. Er ging mit vorgehaltener Pistole auf ihn zu und zeterte irgendetwas auf Vietnamesisch. Salagnons hatte das Glück, dass der Mann redete, anstatt zu schießen. Zwei Meter vor Salagnon blieb er mit starrem Blick stehen, krümmte die Finger, hob die Waffe und visierte einen Punkt zwischen Salagnons Augen an, während dieser noch immer mit beiden Händen seine Suppenschale hochhielt und nicht wusste, wohin er blicken sollte, auf die Schale mit dem darin schwimmenden Hähnchenfuß, in die Augen des Mannes, auf die Hand, die ihn bedrohte oder auf den schwarzen Pistolenlauf, doch da brach der Vietnamese im Lärm einer Maschinenpistolensalve zusammen. Er fiel mit dem Gesicht auf den Tisch, der davon einstürzte. Salagnon sprang unwillkürlich auf, rettete seine Schale mit Suppe, die er noch immer mit beiden Händen festhielt, verlor jedoch sein Tuschefläschchen, das auf dem Boden zerschellte. Das Licht ging an, und der Ventilator begann sich wieder mit regelmäßigem Quietschen zu drehen.
    Zwei bewaffnete Fallschirmjäger standen im Eingang und drehten sich langsam im Halbkreis, die Maschinenpistole an ihren mageren Körper gepresst. Sie suchten den Raum mit ihren Adleraugen ab. Einer von ihnen drehte den erschossenen Vietnamesen mit dem Fuß um.
    »Sie haben Glück gehabt, Herr Oberleutnant. Um ein Haar hätte er Sie aus allernächster Nähe erwischt.«
    »Ja, das glaube ich auch. Ich danke Ihnen.«
    »Auf jeden Fall mehr Glück als unsere Piloten. Ohne ihre Flügel sind die ziemlich hilflos.«
    Einer der Luftwaffenoffiziere stand mit blutbeflecktem Hemd auf und beugte sich über die anderen, die noch am Boden lagen. Der Fallschirmjäger durchsuchte den Vietnamesen mit geschickten Fingern; er nahm ihm seinen Anhänger ab, einen silbernen Buddha von der Größe eines Fingernagels, der an einer Lederschnur hing. Er drehte sich zu Salagnon um und warf ihn ihm zu.
    »Nehmen Sie ihn, Herr Oberleutnant. Damit hätte er eigentlich unsterblich sein müssen. Aber Ihnen hat er Glück gebracht. Behalten Sie ihn.«
    Die Schnur war blutbefleckt, aber schon trocken. Da Salagnon nicht wusste wohin damit, hängte er sich den Buddha um den Hals. Dann aß er seine Suppe auf. Er ließ den Hähnchenfuß mit ausgestreckten Krallen auf dem Boden der Schale zurück. Die beiden Frauen tauchten nicht wieder auf. Sie gingen alle gemeinsam weg, nahmen die Toten und die Verletzten mit.

KOMMENTAR VI
    Ich habe sie seit jeher gesehen, hätte aber nie gewagt, sie anzusprechen
    U nd dann?«
    »Nichts. Die Sache hat weiter ihren unheilvollen Gang genommen. Ich habe alles überlebt; das war das wesentliche Ereignis, das es verdient, erwähnt zu werden. Irgendetwas hat mich beschützt. Die anderen starben rings um mich herum, und ich habe überlebt. Der kleine Buddha, den ich nie abgelegt habe, muss wohl alles in meiner Umgebung verfügbare Glück aufgesogen und auf mich übertragen haben; die Leute, die sich mir näherten, starben, aber ich nicht.
    Sieh mal«, sagte er zu mir. »Ich habe ihn immer noch.«
    Er knöpfte sein Hemd ein wenig auf und zeigte ihn mir. Ich beugte mich vor, und er zeigte mir seine magere Brust, die einer ausgetrockneten, verwitterten, einst von Flüssen durchzogenen Ebene glich. Graue Haare bedeckten sie nur unvollständig, das Fleisch zog sich daraus zurück, die Haut legte sich direkt auf die Knochen und ließ sie, von kleinen Falten überzogen, leicht hervortreten; all das bildete gleichsam ein fossiles Netz, wie das der Flüsse auf dem Mars, in dem keine Flüssigkeit mehr rinnt, aber darunter, in der Tiefe, floss vielleicht noch etwas Blut.
    An einer Lederschnur, die ich nie an seinem Hals bemerkt hatte, hing ein kleiner silberner Buddha. Er saß im Lotussitz, seine Knie zeichneten sich unter dem Faltenkleid ab, und er hatte die flache Hand erhoben; und wenn man ihn sehr aufmerksam betrachtete, konnte man ein Lächeln erahnen. Er hatte die Augen

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