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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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geschlossen.
    »Tragen Sie ihn immer?«
    »Ich habe ihn nie abgelegt. Und ich habe ihn so gelassen, wie er war. Sieh mal.«
    Er zeigte mir verrostete Krusten an den Stellen, wo das Figürchen Falten aufwies: am Hals und an den angewinkelten Beinen.
    »Ich habe ihn nie gereinigt. Silber rostet nicht, das ist das Blut des Vietnamesen. Ich trage das Andenken an meinen Todestag mit mir herum. Ich hätte jenen Moment normalerweise nicht überleben dürfen, der Rest meines Lebens ist ein wahres Geschenk. Ich trage den Anhänger auf der nackten Haut, er ist wie ein Kriegerdenkmal, das ich mit mir herumtrage, zum Andenken an jene, die kein Glück gehabt haben, und auf das Wohl jener, die wie ich Glück gehabt haben. Wenn ich ihn als Trophäe ansehen würde, hätte ich ihn gereinigt; aber er ist eine Votivgabe, und daher lasse ich ihn in dem Zustand, in dem ich ihn erhalten habe.«
    Die Lederschnur glänzte, von Jahrzehnten des Schweißes blank geputzt. Die Schnur hatte er offensichtlich auch nicht erneuert, sie war vermutlich aus dem Leder eines schwarzen Büffels gefertigt, der in den Tiefen des vergangenen Jahrhunderts in Indochina geweidet hatte. Vielleicht hatte ihr das einen gewissen Geruch verliehen, aber ich hatte mich ihr nicht genügend genähert, um das feststellen zu können. Salagnon legte den Buddha wieder an seine Brust und knöpfte das Hemd zu.
    »Dieser kleine Kerl mit seinen geschlossenen Augen dient mir vermutlich als Herz. Ich habe nie gewagt, mich von ihm zu trennen, ihn für eine Weile abzulegen, weil ich Angst hatte, dass irgendetwas stehen bleiben könne und es dann wirklich vorbei sei. Die Metallmenge, aus der er besteht, ist gerade ausreichend, um daraus eine Kugel zu gießen, eine Silberkugel, die man gegen Werwölfe, Vampire und sonstige Unheilstifter einsetzt, also gegen Wesen, die man nicht mit gewöhnlichen Mitteln tötet. Diese Kugel, die mich nicht erwischt hat, habe ich also aufgesammelt, diese Kugel, die für mich bestimmt war, und so lange ich sie gut versteckt halte und sie an mich drücke, trifft sie mich nicht. Niemand hat diesen Buddha gesehen, bis auf Euridice, die mich nackt gesehen hat, und meine Fallschirmjägerkameraden, die mich in der Unterhose oder unter der Dusche gesehen haben, aber die sind heute alle tot, und nun du. Von dieser ganzen Geschichte habe ich nur diesen Tod zurückbehalten, der mich nicht ereilt hat.«
    »Haben Sie gar nichts mitgebracht oder aus dieser Zeit behalten? Keine exotischen Gegenstände, die Ihre Erinnerungen wachrufen könnten?«
    »Nein, nichts. Bis auf einen Talisman und ein paar Verwundungen. Von diesen zwanzig Jahren meines Lebens ist nichts übrig geblieben; bis auf die Gemälde natürlich, ich habe unendlich viele angefertigt und versuche jetzt, sie loszuwerden. Die Hitze, die dort herrschte, hat mich vom Exotismus geheilt. Und dabei war Indochina ein irrer Umschlagplatz, alle Länder haben dort ihre Speicher geleert, man fand dort alles: amerikanische Waffen, japanische Offiziersschwerter, aus Michelin-Reifen gefertigte Sandalen der Vietminh, antike chinesische Gegenstände, zerbrochene französische Möbel, alles was man dort hinbrachte, nahm ein tropikalisiertes Aussehen an. Ich habe nichts davon behalten. Ich habe alles dort gelassen oder es nach und nach verloren; man hat mir auch Dinge gestohlen, andere sind zerstört oder beschlagnahmt worden, und was übrig blieb, was man auf dem Speicher eines alten Soldaten finden kann wie ein Barett, ein Abzeichen, eine Medaille oder manchmal eine Waffe, habe ich weggeworfen. Ich habe keinerlei Andenken behalten. Hier ist nichts mehr, was irgendetwas mit jener Zeit zu tun hätte.«
    Und da wir von all diesen absurden Gegenständen umgeben waren, die als Raumdekoration dienten und nur ihren Schwachsinn zur Schau stellen und ohne jeden Zweifel zum Ausdruck brachten, dass sie mit nichts anderem verbunden waren als mit sich selbst, glaubte ich ihm das gern.
    »Mir bleibt nur dieser silberne Buddha, den ich dir gezeigt habe; und der Pinsel, den ich immer noch benutze, und den ich auf Anraten jenes Mannes, der mein Lehrmeister war, in Hanoi gekauft habe. Und ein Foto. Ein einziges.«
    »Und warum gerade dieses?«
    »Ich weiß es nicht. Den kleinen Buddha habe ich nie zur Seite gelegt; seit fünfzig Jahren habe ich ihn immer in Reichweite; den Pinsel benutze ich noch immer; aber warum ich das Foto behalten habe, weiß ich nicht. Vielleicht verdankt es die Tatsache, dass es noch da ist, nur dem Zufall, denn

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