Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)
und wer der Essig, und warum diese beiden Flüssigkeiten, die sich nicht vermischen lassen, wohingegen sich alle Menschen definitionsgemäß untereinander mischen können? Araber und Franzosen? Als könnte man diese beiden Kategorien vergleichen, deren Definitionen keinerlei Äquivalenz aufweisen, als wären beide endgültig naturbedingt. Er lässt uns lächeln, er ist geistreich, denn das französische Wesen wird durch seinen sprühenden Geist charakterisiert. Und was ist der Geist? Er besitzt alle Vorteile des Glaubens ohne die Nachteile der Leichtgläubigkeit zu haben. Er ermöglicht, sich streng an die Gesetze der Dummheit zu halten und dabei so zu tun, als durchschaue man die Sache. Er bringt charmante, oft witzige Dinge hervor, aber das kann schlimmer sein als die Dummheit, denn man glaubt ihr durch das Lachen zu entkommen, doch in Wirklichkeit verstrickt man sich in ihr. Sprühender Geist ist nur der Versuch, Unwissenheit zu verbergen. Vierzig Millionen, sagt er, vierzig Millionen anderer Menschen, fast so viele wie wir, die viel schneller gezeugt worden sind, als bei uns gemeinhin gezeugt wird, die permanente Bedrohung einer Bevölkerungsexplosion; drückt sich darin nicht die ständige, uralte Angst aus, dass der andere, der andere, der andere die einzig wahre Macht besitzt: die sexuelle?
Der große Epenschreiber überschwemmt uns mit einem Schwall leerer Worte. Er verwendet besonders gern die glänzenden, die er uns zuwirft und die wir wie einen Schatz entgegennehmen, doch leider handelt es sich dabei um Falschgeld. Wenn man von Ähnlichkeit spricht, wird man immer verstanden, denn die Ähnlichkeit ist unser primäres Denkschema. Die Rasse ist ein substanzloser Gedanke, der auf unserer unersättlichen Gier nach Ähnlichkeit beruht; und der nach einer theoretischen Rechtfertigung sucht, die er nicht findet, denn es gibt sie nicht. Aber das ändert nichts, wichtig ist nur, den Gedanken ins Gespräch zu bringen. Die Rasse ist ein Furz der Gesellschaft, die stumme Äußerung einer Verdauungsstörung der Gesellschaft; die Rasse dient dazu, das Publikum billig abzuspeisen, damit sich die Leute mit ihrer Identität beschäftigen, jener undefinierbaren Sache, die zu definieren man sich bemüht; das gelingt zwar nicht, aber das beschäftigt wenigstens. Das Ziel der SIFF besteht nicht darin, die Bürger nach ihrer Hautfarbe zu sortieren, das Ziel der SIFF ist die Illegalität. Ihre Anhänger träumen von dummer, ungebremster Gewaltanwendung, damit die würdigsten unter ihnen endlich ohne Fesseln agieren können. Und während das Publikum dem kleinen Rassenkasper Applaus spendet, werden dahinter, darunter, im Dunkel der Kulissen, die echten Probleme abgehandelt, die immer sozialer Art sind. So haben sich jene ahnungslos reinlegen lassen, die bis zum Schluss felsenfest an den Farbencode der Kolonie geglaubt haben. Die Algerienfranzosen waren im Kleinen das, was aus Frankreich heute geworden ist, aus ganz Frankreich, aus dem kopflos gewordenen Frankreich, das bis in die Sprache von der kolonialen Fäulnis angesteckt worden ist. Wir spüren nur zu gut, dass uns etwas fehlt. Die Franzosen suchen sie, die SIFF tut, als suchte sie sie, wir suchen sie, alle suchen nach unserer verlorenen Stärke; wir würden sie so gern wieder zur Anwendung bringen.
Ich ging gebeugt weiter. Ich wusste nicht recht, wo ich war. Ich ging mehr oder weniger nach Westen, in der Ferne sah ich die Lyoner Berge und den Mont Pilat, zum Glück gibt es hier Gebirge, die uns die Orientierung erleichtern. In dieser großen Vorstadt weiß ich nicht, wo ich bin, und ich weiß nicht einmal, wie viel Uhr es ist. Das sind die Vor- und Nachteile, wenn man allein lebt, nur wenig arbeitet und somit ganz auf sich gestellt ist. Man wird auf sich selbst verwiesen; und das ist nicht gut.
Ich gelangte an ein umzäuntes Gelände, auf dem eine Meute von Kindern auf Spielgeräten wippte oder an ihnen hochkletterte. Es musste demnach gegen fünf sein, und dieses flache Gebäude mit dem großen Tor musste eine Schule sein. Die Kinder rannten in regelmäßigen Abständen von einem Gerät zum anderen. Ich setzte mich in ihrer Nähe auf eine Bank, die die Mütter unbesetzt gelassen hatten. Ich hatte die geballten Fäuste in der Manteltasche stecken, den Kragen hochgeschlagen und ganz offensichtlich kein Kind mitgebracht. Man überwachte mich. Die in warme Anoraks gekleideten Kinder kletterten vor Rutschbahnen Leitern hinauf, rannten hintereinander her, hüpften auf
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