Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)
Salagnon setzten sich an einen Tisch; in Uniform waren sie ein leichtes Ziel, aber sie zeigten sich. Mariani nahm seine dunkle Brille ab, was er noch nie getan hatte. Seine Augen waren rot und trüb, von Schlaflosigkeit gezeichnet.
»Du siehst schlecht aus.«
»Ich bin erschöpft.«
Sie sahen zu, wie die Menge durch die abendliche Rue de la Lyre strömte.
»Dieses arabische Ungeziefer ist unausstehlich. Die Leute hassen uns. Ihr Gesicht ist ausdruckslos, wenn sie uns begegnen, es lässt bestenfalls etwas Unterwürfigkeit durchschimmern; aber hinter diesen Gesichtern verbergen sich Mörder. Und du, du lässt uns im Stich, Salagnon. Du machst deinen eigenen Kram, deinen Schüler- oder Weiberkram. In Indochina hast du auch schon gekleckst, aber da hast du auch noch andere Sachen gemacht.«
»Ich mag das nicht, Mariani.«
»Na und? Ich würde auch lieber durch die Berge rennen, aber wir haben es hier mit Feinden zu tun. Wir haben es fast geschafft, wir haben sie in der Mangel. Machst du mit oder nicht?«
»Ich will gern hinter irgendwelchen Typen herrennen. Aber dass sie im Schlafanzug sind, das stört mich. Und was wir mit ihnen machen, wenn wir sie zurückbringen, das halte ich nicht mehr aus.«
»Ich erkenne dich nicht wieder, Salagnon.«
»Ich mich auch nicht, Mariani.«
Sie verstummten. Sie sahen den vorübergehenden Leuten zu, tranken Anisette in kleinen Schlucken, bestellten eine weitere Runde. Salagnon konnte die Gedanken an Marianis Gesicht, das sich bewegte wie Wäsche im Wind, nicht erraten. Doch dann hatte sich Mariani plötzlich wieder im Griff.
»Man verlangt von mir, das Ungeziefer auszurotten, und ich führe den Befehl aus; oder genauer gesagt, ich mache die Verdächtigen aus«, sagte er mit einem höhnischen Lachen. Sein Gesicht war jetzt hart und verschlossen, er blickte niemanden mehr an, nicht einmal Salagnon. »Ich fühle mich hier wohl«, fuhr er fort. »Ich möchte nicht von hier weg. Ich bin hier zu Hause.«
»Wir müssen auf jeden Fall zurück. Und wir haben uns verändert. Was soll in Frankreich aus uns werden?«
»Dann muss sich Frankreich eben ändern.«
Er war nach Algier gekommen, weil in Paris beschlossen worden war, dass er und seinesgleichen hier sein sollten. Es war beschlossen worden, Gewalt anzuwenden, und niemand anders verstand das besser als diese bleichen Wölfe mit ihrer Dschungelerfahrung. Sie waren langsam mit dem Schiff gekommen, hatten das blassblaue Meer im Januar überquert und Algier am Horizont immer größer werden sehen. Salagnon war an Land gegangen und hatte sich bemüht, nicht an Euridice zu denken. Die Aufgaben, die ihn Tag und Nacht in Anspruch nahmen, erlaubten ihm nicht mehr, ihr zu schreiben, doch auch von Müdigkeit und Entsetzen benommen, vom Blut anderer Menschen besudelt, dachte er noch ständig, fast ohne sich dessen bewusst zu werden, stumm an sie.
Salagnon hatte nicht versucht mit Salomon Kontakt aufzunehmen, aber eines Tages standen sie sich im Eingang der maurischen Villa unverhofft gegenüber. Die Sonne war gerade erst aufgegangen, als Salomon Kaloyannis die mit abgestorbenen Palmwedeln und Sand übersäten Stufen hinaufging, die offensichtlich niemand fegte, er trug einen schwarzen Filzhut und hatte einen Arztkoffer in der Hand; Salagnon kam mit geschulterter Maschinenpistole im Laufschritt aus dem Haus, der Motor des Jeeps, der ihn unten vor den Stufen erwartete, heulte schon auf. Sie blieben beide stehen, überrascht, sich an diesem Ort zu begegnen, an dem sich jeder ganz allein glaubte und von dem jeder glaubte, er müsse ihn bis zum Ende allein durchlaufen, egal mit welchem Ziel.
Der Motor des Jeeps heulte auf, die drei anderen Fallschirmjäger saßen schon mit geschulterter Maschinenpistole im Fahrzeug, hatten die Füße auf das Armaturenbrett gelegt oder ließen die Beine aus dem Fenster baumeln und hielten sich an der Karosserie fest. Salagnon hatte einen Zettel in der Brusttasche, auf dem Namen und eine Adresse gekritzelt waren.
»Komm und besuch mich, Victorien. Und besuch Euridice, darüber freut sie sich bestimmt.«
»Ist sie verheiratet?«, fragte Salagnon; denn dieser Gedanke schoss ihm gerade durch den Kopf, das war das Einzige, was er auf der Treppe der maurischen Villa zu sagen imstande war, obwohl er noch nie zuvor daran gedacht hatte.
»Ja. Mit einem Typen, der sie zum Lachen gebracht hat, inzwischen aber langweilt. Ich glaube, sie sehnt sich nach dir.«
»Nach mir?«
»Ja. Die Zeit der Säbelhelden ist wieder da.
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