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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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nicht locker, gab nicht nach, er schwitzte in seinem tropenfesten Anzug, war der einzige zivile Beamte hier, so anders als die athletisch gebauten Wölfe, die den Menschen Namen entrissen und nach einem kurzen Rennen im Treppenhaus Männer verhafteten. Aber Teitgen war ungemein hartnäckig. Sie mussten seine Papiere unterzeichnen, er kam jeden Tag wieder, vierundzwanzigtausend wurden unterzeichnet. Und wenn man einen Mann wieder freiließ, überprüfte er das. Er verglich die Listen. Es fehlten Menschen. Teitgen stellte Fragen. Man antwortete ihm, sie seien verschwunden.
    »Die kann man so nicht zurückgeben«, sagte Mariani angesichts derer, die zu arg zugerichtet waren. »Sie sind sowieso hinüber.« Salagnon fuhr einen mit einer Plane abgedeckten Lastwagen voll von jenen, die nicht zurückgegeben wurden. Er fuhr nachts an einen Ort jenseits von Zéralda. Er parkte den Lastwagen neben einer von Scheinwerfern erleuchteten Grube. Marianis Hunde waren da. Sie entluden das Fahrzeug. Sie standen da mit hängenden Armen, manche hielten eine Pistole in der Hand, andere einen Dolch. Salagnon hörte Schüsse und anschließend das dumpfe Geräusch von etwas Weichem, das auf etwas Weiches fiel, wie ein Sack, der auf andere Säcke fällt. Manchmal war vor dem Geräusch des Auftreffens kein Schuss zu hören, sondern nur ein feuchtes Gurgeln, das ihn noch nicht mal zusammenzucken ließ, und es war noch grässlicher, nicht den geringsten Schauder zu empfinden.
    Salagnon bat Trambassac, es nicht mehr tun zu müssen, nicht mehr die Lastwagen nach Zéralda fahren zu müssen, auch nicht zum Hafen und nicht mehr zum Hubschrauber, der mitten in der Nacht startete, um eine Runde über dem Meer zu drehen.
    »Okay, Salagnon. Wenn Sie es nicht mehr tun wollen, hören Sie damit auf. Jemand anders wird es übernehmen.« Er schwieg eine Weile. »Aber ich möchte, dass Sie etwas anderes tun.«
    »Was denn, Herr Oberst?«
    »Ich möchte, dass Sie meine Jungs malen.«
    »Finden Sie, dass es der geeignete Zeitpunkt zum Malen ist?«
    »Jetzt oder nie. Nehmen Sie sich hin und wieder etwas Zeit dafür. Malen Sie das Porträt meiner Jungs, ihrer Kameraden. Sie malen doch schnell, glaube ich, dafür brauchen sie Ihnen nicht lange Modell zu stehen. Sie müssen sich sehen können. Sie müssen sich schöner sehen können, als sie es im Moment sind. Sonst verlieren wir sie, bei all dem, was wir hier machen. Verleihen Sie ihnen ein bisschen Menschlichkeit. Das können Sie doch, oder?«
    Salagnon gehorchte und widmete sich der seltsamen Aufgabe, das Porträt von Fallschirmjägern der Kolonialarmee anzufertigen, die Tag und Nacht arbeiteten, bis sie todmüde umfielen, die möglichst wenig nachdachten und sich nicht im Spiegel sehen wollten, er malte das heroische Porträt von Männern, deren Gedanken sich darauf beschränkten, den nächsten Verdächtigen festzunehmen.
    Wenn die Aufregung wegen eines Verhörten nachließ, der mit Blut, Speichel und Erbrochenem bedeckt war, in der betrübten Stille nach einer großen Anspannung, sahen sie genau, was sie vor sich hatten: einen kotverschmierten Körper, dessen Gestank ihnen allen anhaftete. »So können wir den doch nicht wieder zurückbringen«, sagte Mariani. Und er ließ ihn wegschaffen. Sie waren unter sich. Sie legten keinen Wert darauf zu erfahren, wer dies oder das getan hatte, wer mehr oder weniger dazu beigetragen hatte, wer Hand angelegt oder wer zugeschaut hatte. Alle waren gleich, derjenige, der nur zugesehen oder nur zugehört hatte, genau wie die anderen. Sie hatten nur Verachtung für jene übrig, die so taten, als wüssten sie nichts und jene, die sich den Anschein gaben, sich nicht einzumischen. Die hätten sie sich am liebsten vorgeknöpft, und sie mit dem Kopf in Blut getaucht, oder sie nach Frankreich zurückgeschickt. Sie wollten nicht, dass Salagnon diese Typen malte. Sie zogen es vor, alle richtig zusammen zu sein oder aber wirklich allein. Wenn sie sich ins Bett legten, hüllten sie sich in ihr Laken und drehten sich zur Wand. Wenn sie sich im Bett einmal ausgestreckt hatten, rührten sie sich nicht mehr, egal ob sie schliefen oder nicht. Und wenn sie zusammen waren, zogen sie es vor, sehr laut zu lachen, zu grölen, eine derbe Sprache zu sprechen und so viel zu trinken, bis sie umfielen oder sich übergaben. Und plötzlich bat sie Salagnon, regungslos vor ihm stehen zu bleiben, ohne ein Wort zu sagen. Sie waren nicht sonderlich erpicht darauf, aber Salagnon war einer von ihnen, und daher

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