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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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willigten sie ein, einer nach dem anderen. Er malte mit Tusche große Porträts von ihnen, die sie mager, kräftig und angespannt zeigten, im Bewusstsein, dass ihr eigenes Leben an einem Faden hing, und dem Bewusstsein des Todes, der sie umgab, aber sie hielten durch, schlossen die Augen nicht. Sie sagten es ihm nicht, aber sie waren von dieser düsteren Romantik angetan. Sie willigten ein, stumm vor Salagnon Modell zu stehen, der kein Wort zu ihnen sagte, sondern sie nur malte. Trambassac stellte mehrere dieser Porträts in seinem Büro aus. Er empfing die Obersten, die Generäle, die hohen Beamten, die Vertreter des Generalgouvernements Algerien unter den finsteren Blicken der porträtierten Fallschirmjäger. Und er wies ständig auf sie hin. Er wies auf sie, zeigte mit dem Finger auf die Bilder, wenn er etwas sagte. »Das sind die Männer, von denen wir sprechen. Die Männer, die Frankreich hier verteidigen. Sehen Sie sie sich genau an.« Diese Porträts, die eine düstere, überspannte Haltung ausstrahlten, waren Teil einer den Heroismus verherrlichenden Erpressungsstrategie, die er fast täglich in seinem Büro vertrat. Der große Sensenmann 1957 in Algier war ein mechanisierter Mäher, und Salagnons Porträts waren ein Teil dieser Maschine, wie die Karosserie aus bemaltem Metall, die dazu beiträgt, das Ganze zusammenzuhalten. Und es hielt. »Sie sind alle schuldig, aber das tun sie für Sie, für Frankreich. Und daher halten sie zusammen wie Pech und Schwefel. Ganz gleich, was sie tun. Sie tun es gemeinsam. Nur das zählt. Wenn einer nicht mehr mitmachen will? Dann soll er gehen. Wir nehmen es ihm nicht übel, aber er soll verschwinden.«
    Die Beamten der Zivilverwaltung betraten nur noch widerwillig dieses Büro, in das sie kamen, um Ergebnisse zur Kenntnis zu nehmen. Trambassac erwartete sie in seinem tadellos sauberen Kampfanzug, hinter ihm blickten undurchdringliche Helden die Ankömmlinge an; er legte die Ergebnisse dar, wunderbare, eindrucksvolle Ergebnisse, die Zahl der ausgeschalteten Terroristen, die Liste der sichergestellten Bomben. Er präsentierte ihnen ein herrlich deutliches Organigramm. Teitgen forderte Rechenschaft von ihm, er brachte seine Formulare mit. Er erschauerte nicht hinter seiner großen Brille, er stellte seine Berechnungen an und zeigte Trambassac das Ergebnis. »Wenn ich richtig gezählt habe, Herr Oberst, dann fehlen in Ihrer Aufstellung zweihundertzwanzig Männer. Was ist aus ihnen geworden?«
    »Tja, diese Männer sind verschwunden!«
    »Aber wohin?«
    »Wenn man Sie danach fragt, dann sagen Sie, Trambassac habe das unterzeichnet.«
    Teitgen zitterte nicht, weder vor Angst noch vor Abscheu, er ließ sich nie entmutigen. Er blickte durch seine große Brille fast allem entgegen, dem Oberst, der vor ihm saß, der Tusche-Nekropole an den Wänden, den Zahlen, die die Spur der Toten waren. Er war der Einzige, der eine Liste der Leute aufstellte. Doch er reichte schließlich seinen Rücktritt ein und gab dazu eine öffentliche Erklärung ab. Man mochte ihn lächerlich finden, mit seinem Aussehen und seinen Formularen, die ausgefüllt werden mussten. Er wirkte wie ein Frosch, der eine versammelte Wolfsherde zur Rechenschaft zieht, aber ein Frosch, der von übernatürlicher Energie beseelt war und dessen Worte nicht die eigenen waren sondern der Ausdruck dessen, was getan werden muss. Während der ganzen Schlacht von Algier hatte er den Platz eines Froschgottes inne, der am Tor zur Hölle steht: Er wog die Seelen und trug alles in das Totenbuch ein. Man mag sich über diesen kleinen Mann lustig machen, der unter der Hitze litt, durch seine große Brille blickte und sich um Formulare kümmerte, die auszufüllen waren, während andere bis zu den Knien im Blut standen, aber man kann ihn bewundern wie man die ägyptischen Götter in Tiergestalt bewundert und ihm einen unaufdringlichen Kult widmen.
    »Mariani geht es nicht gut. Reden Sie mal mit ihm. Ich gebe ihm von Amts wegen drei Tage Urlaub. Ihnen auch. Holen Sie ihn zurück, ich weiß nicht, wohin es ihn gerade verschlägt. Wenn man gewisse Grenzen überschreitet, weiß niemand mehr, wohin das führt.«
    Die Straßen von Algier sind angenehmer als die Straßen von Saigon, dort herrscht trockene Hitze, man kann Schutz vor der Sonne finden, die Cafés liegen an den Straßen wie schattige Höhlen, erfüllt von emsigem Treiben und Geschwätz, man kann sich an einen Tisch am Bürgersteig setzen und die Passanten betrachten. Mariani und

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