Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)
zu bezaubern. Wenn man ihm zuhörte, empfahl es sich, exzessiv zu reagieren und häufig zu lachen. Salomon beherrschte dieses Spiel meisterhaft, doch Salagnon konnte bald nicht mehr mithalten, wurde schnell abgehängt, und begnügte sich damit, die anderen zu betrachten.
Dieser gebräunte Mann, der sich von Sonne nährte und die Sprache einsetzte wie ein Musikinstrument zum Tanz, war sehr schön. Aber schon in dem Moment, als Victorien ihn sah, als er vor dem Tisch stehenblieb und sich mit ausgestreckter Hand und strahlendem Lächeln zu ihnen hinabbeugte, fragte er sich, was Euridice bloß an ihm gefunden hatte. Was der Mann an ihr gefunden hatte, wusste er genau. Euridice war Salomon Kaloyannis’ kostbarer Schatz, eine Schönheit, die man einfach begehren musste; aber er konnte ihr nicht das Wasser reichen. Das hatte sich Victorien ganz deutlich gesagt, als er ihm mit dem schönen, festen Lächeln eines Fallschirmjägeroffiziers die Hand geschüttelt hatte. Er fegte ihn innerlich mit dem Handrücken weg. Er ist fehl am Platz, sagte er sich einfach, er ist fehl an diesem Platz, der der meine ist. Aber in dem langen, darauffolgenden Gespräch, das von Witzen, Ausrufen, Grußworten an Vorübergehende und Gelächter unterbrochen wurde, in diesem für Algerienfranzosen charakteristischen Theaterstück, das im Freien in der Nähe des Platzes Les Trois Horloges aufgeführt wurde, sagte Salagnon nicht viel. Dafür fehlte ihm die Zeit; er war nicht schnell genug, er verstand es nicht, in dem Moment, in dem die anderen Atem schöpften, eine geistreiche Bemerkung in das Gespräch einfließen zu lassen, er verstand es nicht, mit großem Getöse irgendwelche Nichtigkeiten zu inszenieren. Während der Vater und der Ehemann ihr Spielchen spielten, betrachtete er Euridice, und Euridice spürte, wie sie allmählich errötete.
Sie dachte zurück an die Briefe, an die Zeichnungen, an diese lange, einseitige Korrespondenz, die er zwölf Jahre lang mit ihr geführt hatte, ohne je eine Antwort zu erhalten, und die mit Tusche getränkten sanften Pinselhaare liebkosten ihre Seele, ließen ihre Haut erschauern. In dieser seltsamen Stadt Algier, in der das Wort zu einer Straßenkunst erhoben worden war, hatte die Malerei nichts Visuelles; sie war stumm, langsam und ließ sich nur ertasten.
Als sie sich trennten, grüßte der Ehemann Victorien mit einem betont männlichen Händedruck und lud ihn ein, sie zu besuchen; Euridice stimmte gehemmt zu. Die beiden entfernten sich, wirkten wie ein schönes Paar. Salagnon, der ein feines, durch den Dschungel geschärftes Gehör besaß, hörte, wie der Mann mit laut zu vernehmender Stimme, möglicherweise, damit Salagnon es mitbekam, sagte: »Sie spielen den Prahlhans, diese Typen, anders lässt sich das nicht nennen, den Prahlhans, mit ihrem Paradedegen und ihrer lächerlichen Aufmachung. Sie laufen mit seltsamen Käppis und an den Knöcheln verschnürten Hosen herum, aber wenn du unter vier Augen mit ihnen sprichst, bringen sie kein Wort heraus.«
Er legte Euridice, die stumm wie ein Stein blieb, den Arm um die Schulter, und sie verschwanden in der Menge von Bab el-Oued. Victorien folgte ihnen mit dem Blick, bis er nichts mehr sah und nichts mehr hörte und blieb in dieser Haltung, ohne sich zu rühren, die Augen auf den Punkt gerichtet, in dem sie vom Strom der Menschen in Algier verschluckt worden waren.
»Meine Tochter ist hübsch, hm?«, rief Salomon ihm zu und schlug ihm mit derart bezaubernder Begeisterung auf den Schenkel, dass er ihm ein Lächeln entriss.
Sein Onkel erwartete ihn vor der Villa in einem Jeep, der auf dem Bürgersteig parkte, er lag halb auf dem Sitz ausgestreckt, ließ rauchend den Arm aus der Tür hängen und blickte ins Leere. Salagnon kam endlich heraus, drückte ihm wortlos einen Kuss auf die Wangen und setzte sich neben ihn. Der Onkel schnipste seine Zigarette über die Schulter und fuhr wortlos an. Er nahm ihn in eine kleine Bar auf einer Anhöhe mit, zu deren Füßen sich die Bucht von Algier ausbreitete. Die Terrasse lag im Schatten von Kiefern, trockene Kalkfelsen traten zwischen den Bäumen zutage, selbst im Winter spürte man hier, dass man sich am Ufer des Mittelmeers befand. Der Inhaber, ein dicker Algerienfranzose mit großer, leicht gezwungen wirkender Zungenfertigkeit gab den Fallschirmjägern, die sein Lokal besuchten, eine Runde Anisette aus. Er kam in einer Schürze, die seinen Bauch einschnürte, hinter der Theke hervor, um die Männer persönlich zu
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