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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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Poseidon,
    Einen Widder und Stier und einen mutigen Eber.
    Und nun kehre zurück und opfere heilige Gaben
    Allen unsterblichen Göttern, des weiten Himmels Bewohnern,
    Nach der Reihe herum. Zuletzt wird außer dem Meere
    Kommen der Tod und dich vom hohen behaglichen Alter
    Aufgelöseten sanft hinnehmen, wann ringsum die Völker
    Froh und glücklich sind.
    Wenn niemand mehr die Kriegswerkzeuge wiedererkennt, wird alles vorbei sein.«
    Ganz unten auf dem Meer, das wie ein Spiegel des Himmels wirkte, fuhr ein weißes Schiff auf Algier zu. Es wurde ganz langsam größer, glänzte in der Wintersonne, ließ eine sich schnell wieder schließende Kielwasserspur hinter sich, die das unerschütterliche spiegelglatte blaue Meer kaum störte. Es transportierte wohl Reisende, die heimkehrten, französische Beamte und Wehrpflichtige, unzählige Wehrpflichtige, die herkamen, um etwas zu tun, von dem sie nie geglaubt hätten, dass sie es tun könnten. Manche würden nicht nach Frankreich zurückkehren, anderen würde blutbesudelt zurückkehren, und alle würden davon betroffen sein.
    »Meinst du, das ist eines Tages zu Ende?«
    »Odysseus hat zwanzig Jahre gebraucht, um heimzukehren. Zwanzig Jahre ist der übliche Zeitraum für die Rückzahlung einer Schuld. Wir sind wohl noch nicht ganz damit fertig.«
    Sie machten weiter. Sie quetschten Algier aus, bis der letzte Tropfen Rebellion ausgepresst war. Sie warfen die trockenen Häute, die ihnen in den Händen zurückblieben, weg. Sie malten mit Teer große Zahlen auf die Häuser. Sie kannten ein jedes, jedes Haus war für sie eine Karteikarte, auf die sie die Namen eintrugen. Sie verhörten die Maurer, denn die konnten Verstecke bauen, sie verhörten die Drogisten, denn die konnten Produkte liefern, die explodierten, sie verhörten die Uhrmacher, denn die konnten Zünder für die Bomben bauen; sie verhörten jene, die zu unangemessener Zeit aus dem Haus gingen, sie verhörten jene, die zu einer Zeit nicht zu Hause waren, zu der sie als gute Familienväter hätten da sein müssen, und auch jene, die bei anderen Leuten waren, ohne dass familiäre Gründe sie dazu zwangen. Die geringste Abweichung auf einer Karteikarte erforderte Aufklärung. Dann holten vier Fallschirmjäger in einem Jeep denjenigen, der ihnen eine Erklärung dafür liefern konnte. Und dem stellte man dann im Untergeschoss der maurischen Villa Fragen.
    Sie suchten in den Gesichtern, sie stellten dem Feind im Dschungel der Körper nach, sie machten Jagd auf ihn in den gefesselten Menschen vor ihnen. Die mittelalterliche Methode, die sich mehrerer Werkzeuge bediente, war das einzige militärische Mittel, das in diesem inneren Krieg eingesetzt wurde, in diesem Krieg des Treuebruchs, in diesem Krieg, der nicht zu sehen war, weil er im Inneren eines jeden stattfand. Sie benutzten die Indizien, über die sie verfügten, teilten die Gesichter in Kategorien ein, glaubten an die Wahrheit des Leidens. Sie quetschten die Leute aus. Und wenn sie jemanden lange genug ausgequetscht hatten, blieb nichts mehr übrig; nur noch trockene Häute, die sie wegwarfen. Sie verwüsteten, da sie schon nicht gewinnen konnten; in diesem Krieg des Inneren gab es kaum Kämpfe. Die Schlacht, die sie lieferten, war zugleich ein kognitives, ethisches und militärisches Ereignis, es wurden dabei außergewöhnliche Neuheiten erfunden, ganz neue Polizeitechniken, eine noch nie gesehene Missachtung der Menschenrechte, den Einsatz des sogenannten gesunden Menschenverstands auf einem nie zuvor erreichten Niveau, und es war ein glänzender Erfolg; der den Misserfolg von allem vorbereitete.
    Es nahm ein Ende, als keine einzige Bombe mehr in Algier explodierte. In den Kellern der maurischen Villa war kein Geräusch mehr zu hören, es war nur noch ein widerlicher Geruch zu spüren, der in den Räumen schwebte wie ein schweres Gas, das nicht entweichen konnte. Alle Aufwiegler waren ausgeschaltet worden oder waren geflohen. Alle, die imstande waren, einen Widerstand zu formieren, waren zum Schweigen gebracht worden. Es blieb nur ein stummer, von vielen geteilter Hass zurück, der in den befriedeten Straßen pochte wie ein dumpfes Herz. Wenn man durch die arabischen Stadtteile ging, konnte man ihn hören, aber kein Europäer ging dorthin. Man schickte die Fallschirmjäger ins Landesinnere, um den Gesetzlosen nachzustellen, die dort in Banden lebten. Die Fallschirmjäger hatten den Auftrag die Widerstandsbewegung in den Maquis zu zerstören. In Algier hatte man das

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