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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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gab nur wenige große Kolonisten, wir waren in der Mehrheit kleine Leute. Wir hatten wenig miteinander zu tun, verstanden uns aber gut. Wir lebten unter uns, und sie unter uns.«
    »Euridice«, unterbrach ich sie, »haben Sie gehört, was Sie da gesagt haben?«
    »Das wollte ich so nicht sagen«, erwiderte sie errötend.
    »Doch, doch. Man sagt immer, was man sagen will.«
    »Manchmal irrt man sich. Manche Worte gleiten von selbst über die Lippen.«
    »Das heißt aber, dass sie schon da waren; wie ein im Sand verborgener Stein, der das Rad in eine andere Richtung lenkt, sodass man von der Straße abkommt. Sie haben gesagt, wie es war, Euridice: Sie unter sich, und die anderen unter ihnen, die ganze Zeit, Tag und Nacht, sie verfolgen Sie und richten Sie zugrunde, sie richten Ihr Leben durch ihre Anwesenheit zugrunde, denn Sie haben deren Leben durch Ihre Anwesenheit zugrunde gerichtet, und sie können nirgendwo anders hingehen.«
    »Du übertreibst. Wir haben uns immer gut verstanden.«
    »Ich weiß. Das sagen alle Algerienfranzosen: Sie haben sich gut mit ihrer Putzfrau verstanden. Ich verstehe jetzt, was Victorien sagt: Das Drama in Algerien war nicht die Folter, sondern die Frage, ob man sich mit seiner Putzfrau gut versteht oder nicht.«
    »Ich hätte das so nicht gesagt«, meinte er belustigt, »aber ich bin durchaus damit einverstanden.«
    »Man kann immer wieder über die Kolonien diskutieren«, fuhr ich fort, und zwar stundenlang. Man entscheidet sich für das eine oder das andere Lager und wirft sich die Errungenschaften und die Ungerechtigkeiten an den Kopf, man schafft einen Ausgleich zwischen dem Fortschritt im Straßenbau und der genauen Aufzählung der Gewalttätigkeiten. Die Schlussfolgerung, die jeder daraus zieht, bestätigt seine ursprüngliche Meinung: der tragische Misserfolg einer gerechten Sache, oder die beharrliche Schändlichkeit einer Erbsünde. Denjenigen, die ihnen das Recht auf Existenz verweigern, erwidern die Bewohner der Kolonie immer, dass sie sich gut miteinander verstanden hätten. Mehr können sie nicht tun: Die Kolonie erlaubt ihnen höchstens, sich mit ihrer Putzfrau gut zu verstehen, die man beim Vornamen nennt, was sie dagegen nie wagen würde, es sei denn sie setzt ein ›Madame‹ davor. Wenn alles gut geht, kann eine Kolonie sehr menschlichen, sehr respektvollen Leuten, die nur von edlen Absichten beseelt sind, erlauben, ein kleines farbiges Volk liebenswürdig zu betrachten, mit dem sie sich nicht vermischen. Die Kolonie erlaubt höchstens einen liebevollen Paternalismus, der auf einem ganz einfachen Kriterium beruht: der vererbten Ähnlichkeit. Wenn jeder etwas guten Willen zeigt, kann das Ergebnis darin bestehen, dass man sich mit seiner Putzfrau gut versteht, dass die Kinder sie heiß lieben und man sie stets beim Vornamen nennt.
    Wie sollte man drei französische Departements mit ihrer Präfektur, ihren Postämtern, ihren Schulen, drei Präfekturen wie hier mit ihren Kriegerdenkmälern, ihren zur Aperitifzeit vollen Cafés, ihren mit Platanen bepflanzten Plätzen, um im Schatten Boule spielen zu können, wie soll man diese drei Departements am Leben erhalten, mit acht Millionen unsichtbaren Menschen darin, die sich bemühen, nicht zu viel Lärm zu machen, um nicht zu stören? Acht Millionen Hirten, Schuhputzer, Putzfrauen, die keinen Namen haben, keinen Ort, und auch acht Millionen Apotheker, Rechtsanwälte und Studenten, die aber auch nicht wissen, wohin sie gehen sollen, und die als Erste die Gewalt zu spüren bekommen, wenn es darum geht, eine klare Trennung zwischen ihnen und uns zu ziehen. Camus, der sich damit auskannte, hat ein perfektes Bild des Arabers gezeichnet: Er ist stets in der Nähe, aber ohne etwas zu sagen. Man stößt auf ihn, was immer man auch tut, er ist immer da und fängt schließlich an zu stören; er verfolgt einen wie die Lichtpunkte im Auge, die man nicht loswird, er beeinträchtigt die Sicht; und schließlich erschießt man ihn. Man wird verurteilt, weil man die Tat nicht bereut, man hat die Lichtpunkte nur mit einer Handbewegung verjagt, aber die allgemeine Verdammnis ist eine Erleichterung. Man hat getan, was dem Wunsch aller entsprach, und jetzt muss man dafür büßen, aber wenigstens ist es getan worden. Die Situation ist derart von Gewalt erfüllt, dass regelmäßige Menschenopfer nötig sind, um die Spannung zu lindern, die uns sonst alle zerstören würde.«
    »Ich habe gut daran getan, dir zu erzählen, was ich dir erzählt habe«,

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