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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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immer gehaltvoll, und der Holzlöffel, mit dem sie umgerührt wird, ist der Phallus. Die Sexualität bringt uns einander nahe und vereinigt uns; die Schleier, die man aufspannt, um diese Wahrheit zu verhüllen, sind hassenswert.
    Das müsste reichen.
    Ich habe dich auf der ganzen Rückfahrt nicht aus den Augen gelassen; ich kann mich nicht sattsehen an der Schönheit deines Gesichts, an der Harmonie der Rundungen deines Körpers. Du wusstest sehr gut, dass ich dich betrachtete und hast mich gewähren lassen, indem du so tatest, als verfolgtest du mit einem leichten Lächeln auf deinen bebenden roten Lippen das Geschehen draußen durchs Fenster, immer kurz davor, mir etwas zu sagen, und dieses Lächeln, während ich dich betrachtete, war, als küsstest du mich unablässig.
    Als wir in der Metro saßen, deren Fenster sich im dunklen Schacht in Spiegel verwandelten, sah ich mich, wie ich dich betrachtete, auf diesem schwarzen Spiegel, auf dem sich dein vollendetes Gesicht spiegelte, umgeben von einem Nimbus aus weißem Schwanenflaum, und deine Augen, die mir violett vorkamen, und deinen roten Mund, der eine Quelle des Glücks ist, und deine herrlich arrogante Nase, die ein Geschenk der Mittelmeerländer an die universelle Schönheit der Frauen ist.
    Als wir bei ihr zu Hause ankamen, kochte sie mir einen Tee, grünen Tee, der nach Minze roch, einen sehr starken, sehr süßen Tee, konzentriert wie ein ätherisches Öl, er brannte sogleich in meinen Adern. Ich wollte noch näher an ihr sein, wollte sie entkleiden und sie malen, einen Orgasmus mit ihr erleben und das darstellen und erzählen. Gemeinsam. Auf Kissen auf einem niedrigen Sofa liegend tranken wir diesen Tee, der mich entflammte, und unterhielten uns eine ganze Weile, doch unsere Herzen klopften so stark, dass wir kaum hörten, was wir sagten. Sie erzählte mir, dass in den Familien, die von anderswo stammten und sich hier niederließen, die Spuren des Anderswo Schritt für Schritt verschwinden würden. Der Wunsch, in die Heimat zurückzukehren, ließ allmählich nach, dann auch die Gesten und Haltungen, die in einem anderen Land eine Bedeutung hatten, und schließlich die Sprache; nicht so sehr die Worte – die Worte blieben noch eine Zeit lang wie Kieselsteine auf der Erde, wie auf dem Boden verstreute Trümmer eines großen zerstörten Gebäudes, dessen Baupläne man verloren hat –, nicht so sehr die Worte als vielmehr das intime Verständnis der Sprache. Letztlich blieben den Kindern und Enkelkindern jener, die sich hier niedergelassen hatten, nur noch ein gelegentlicher Schwaden verschwundener Gerüche, die Vorliebe für gewisse Musikstile, denn man hörte die Musik schon ehe man sprechen konnte, eine Vorliebe für gewisse Vornamen, die je nachdem wie man sie aussprach, von hier oder von dort stammen konnten, eine Schwäche für bestimmte Speisen und bestimmte Getränke zu gewissen Tageszeiten, oder für ein großes Festgericht, das man nur selten zubereitete, über das man aber häufig sprach. Ich hörte ihr zu, während ich diesen Tee trank, den sie mir gekocht hatte, der nach Minze roch und den sie stark gezuckert hatte, diesen Tee, den ich ganz heiß trank wie ein entflammtes ätherisches Öl, wie zähes Erdöl auf meiner Zunge, auf seiner Oberfläche tanzten Flammen, und die Feuerzungen flossen bis in mein Herz, verzehrten meine Seele, loderten in meinem Geist, glänzten auf meiner Haut, und sie wurde angeregt und glänzte ebenfalls. Wir glänzten beide, denn ein bisschen Schweiß hüllte uns ein, ein duftender Schweiß, der uns anzog und unsere Bewegungen erleichtern würde, denn so würden wir leichter aneinander entlanggleiten können, ohne auf Widerstand zu treffen, ohne uns zu ermüden, endlos.
    Ich legte ihr die Hand auf den Schenkel und ließ sie dort, um ihre Wärme zu spüren, um die flüssige Wärme zu spüren, die unter ihrer Haut strömte. Das rief, unter der Haut meiner Fingerspitzen, das Kribbeln der Lust auf sie und der Lust auf Tusche hervor. Ich weiß nicht, ob es dabei um ihre Haut ging, ich weiß nicht, ob es dabei um meine Finger ging; ich weiß auch nicht, ob es um ein Kribbeln ging, auf jeden Fall aber ging es um Tusche. Eine körperliche Erregung überkam mich. Und wenn ich mich tief im Inneren der Vorstellung hingab, sie in die Arme zu nehmen, oder wenn ich mich der Vorstellung hingab, einen mit Tusche getränkten Pinsel in die Hand zu nehmen, beruhigte sich meine Erregung. Sie zu sehen, erregte mich; der Gedanke, sie in die

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