Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)
Jungen stieg durch so dichtes Unterholz, dass jeder nur drei Personen vor sich, und wenn er sich umdrehte, nur drei hinter sich gehen sah; jeder hätte glauben können, sie marschierten nur zu siebt durch den Wald. Der Hang war sehr steil, und derjenige, den man an der Spitze sah, befand sich in Mannshöhe über den Augen jener, die ihm folgten. Sie hatten ein militärisches Äußeres wie es die Zeit damals wollte, aus den Lumpen von 1940 hatte man die Uniformen der Chantiers de Jeunesse geschneidert. Man hatte ein großes, schräg getragenes Barett hinzugefügt, das in Anlehnung an die Baskenmütze das französische Wesen symbolisieren sollte. Durch Kopfbedeckungen unterscheiden sich die Armeen voneinander, ihre Form ist völlig willkürlich, aber sie verleihen einer farblosen, rein zweckdienlichen Kleidung einen Hauch von nationalem Geist.
Sie stiegen den Hang hinauf. Die Bäume bebten. Mit schmerzenden Füßen in ihren klobigen Schuhen aus dickem Leder, die sich nie dem Fuß anpassen. Das für militärisches Schuhwerk verwendete Leder wird nicht weich, und daher müssen sich die Füße an den Schuh anpassen, sobald sich die Schnürsenkel über ihnen wie die Bügel eines Tellereisens geschlossen haben.
Sie trugen Rucksäcke aus Segeltuch, die ihnen in die Schultern schnitten. Das Metallgestell scheuerte an den falschen Stellen, das Gewicht zog sie nach unten, sie mühten sich ab, und der Schweiß rann ihnen in die Augen, klebte ihnen unter den Achseln und im Nacken, sie litten unter der Steigung, trotz ihres zarten Alters und der vielen, in den Chantiers de Jeunesse unter freiem Himmel verbrachten Wochen.
Wie viele Märsche sie in der Schule der Soldaten ohne Waffen gemacht hatten! In Ermangelung von Schießübungen marschierten sie, trugen sie Steine und lernten zu robben, sich in Löcher zu schmiegen, sich hinter Sträuchern zu verstecken und vor allem lernten sie zu warten. Sie lernten zu warten, denn die Kunst des Krieges besteht vor allem darin, zu warten ohne sich zu rühren.
Salagnon war ausgezeichnet in diesen Spielen, er betrieb sie ohne Murren, aber er wartete ungeduldig auf das Kommende; auf etwas, bei dem das Blut, statt im eingeengten Körper zu kreisen, endlich vergossen wurde.
»Schweiß hilft Blut zu ersparen«, wurde ihnen immer wieder gesagt. Diese Devise der Chantiers de Jeunesse war auf einer Banderole über dem Eingang des Lagers im Wald zu lesen. Salagnon begriff die zweckdienliche Schönheit einer solchen Parole, aber er verabscheute Schweiß mehr als Blut. Das Blut hatte er immer behalten, es pulsierte unerschöpflich in seinen Adern, und es zu vergießen, war nur eine Metapher; wie sehr Schweiß dagegen klebte, das wusste er, wie klebrig die Unterhosen, das Hemd und die Bettlaken davon wurden, sobald es Sommer wurde, und von dieser klebrigen Masse konnte er sich nicht lösen, sie verfolgte ihn, erstickte ihn fast und ekelte ihn an wie der schleimige Speichel eines unerwünschten Kusses. Er konnte nichts anderes tun, als darauf zu warten, dass sich das Wetter abkühlte und dass die Zeit verging, nichts anderes, und das brachte ihn auf. Und das verstärkte sein Gefühl zu ersticken. Die Devise war unpassend, genau wie die Uniform einer besiegten Armee, das Fehlen von Waffen und die Unaufrichtigkeit, die allen Handlungen, allen Worten und sogar den Momenten des Schweigens zugrunde lag.
Als er mit einem gefälschten Marschbefehl im Lager eintraf, wunderte man sich über seine Verspätung, aber er konnte eine schriftliche, abgestempelte Entschuldigung vorweisen. Sie wurde nicht einmal gelesen; sie sahen sich erst den gedruckten Briefkopf an und anschließend gleich die mit Stempeln bedeckten unleserlichen Unterschriften; denn die Gründe waren unwichtig – jeder hat die seinen, und sie sind stets hervorragend –, wichtig ist nur, zu wissen, ob sie offizielle Unterstützung erhalten haben. Sein Schreiben wurde abgeheftet, und man wies ihm ein Feldbett in einem großen blauen Zelt zu. In der ersten Nacht hatte er Mühe zu schlafen. Die anderen Jungen waren von der frischen Luft erschöpft und schliefen, aber nur sehr unruhig. Er lauschte dem Rascheln der Insekten, die die Zeltwände streiften. Die Nacht kühlte sich ab, der Geruch nach feuchter Erde und Gras wurde immer stärker, bis ihm davon fast übel wurde, vor allem aber hinterließ dieses erste Abenteuer bei ihm ein unbehagliches Gefühl. Ihn störte nicht die Angst, ertappt zu werden, sondern die Tatsache, dass man seine falschen
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