Die Frau am Tor (German Edition)
Einzelschicksale herunterbrechen, verstehst du?”
“ Na ja, es scheint dich auf jeden Fall stark zu beschäftigen”, sagte sie, ohne dass es sonderlich überzeugt klang. Nachdem sie sich den Mund abgewischt und ihre Papierserviette und das Besteck beiseite gelegt hatte, ließ sie sich etwas Zeit, bevor sie fortfuhr. Er ahnte, was kommen würde, und versuchte sich zu wappnen.
“ Weißt du, Robert, ich muss es dir jetzt mal ganz offen sagen, ich mache mir in letzter Zeit ein bisschen Sorgen um dich. Irgendwie wirkst du verändert, bedrückt, nicht richtig fit. Du bist heute nicht mal rasiert, und diese Jeans, die du da anhast......entschuldige, wenn ich das sage. Geht es dir wirklich gut, Robert? Machst du regelmäßig deinen Sport? Vielleicht solltest du dir nicht so etwas Schwieriges, Anstrengendes vornehmen wie ein Buch zu schreiben. Du solltest dir vielleicht lieber irgendein entspannendes Hobby suchen. Hast du immer noch keine Lust, mit Golf anzufangen? Es gibt doch so viele Plätze hier im Umland. Oder was hältst du von Segeln? Du könntest in einen dieser Yachtklubs gehen, am Wannsee, oder am Müggelsee....”
“ Fang bitte nicht wieder damit an”, sagte er mit einem spröden Lachen und schob seinen Teller weg, auf dem noch Reste von Reis und zerkochtem Gemüse lagen. “Ich meine, du kennst mich doch nun wirklich lange genug, um eigentlich wissen zu können, dass so etwas nun überhaupt nicht zu mir passt. Ich und Segeln oder Golf – um Himmels willen! Nein, bitte, Eva, rede dir und mir jetzt bloß nicht irgendetwas ein. Es ist schon alles in Ordnung. Ich werde es langsam und ohne Stress angehen lassen.”
Aber sie ließ nicht locker. Sie hatte seinerzeit mitbekommen, wie es gewesen war, als er nicht mehr hatte schreiben können und seinen Beruf aufgeben musste. Sie hatten viel darüber geredet, immer wieder, Abende lang. Bisweilen war es ihm fast zu viel geworden mit ihrer bemühten Einfühlsamkeit
“ Vielleicht solltest du doch noch einmal zu einem Therapeuten gehen”, schlug sie vor. “Nicht für länger, nur so für einige Sitzungen.”
Gerade als er zu einer Antwort ansetzen wollte, meldete sich sein Handy in der Brusttasche. Er zuckte kurz zusammen, zog es hervor und wandte sich instinktiv zur Seite.
“ Julia hier, Entschuldigung, falls ich störe. Sie müssen jetzt auch nichts weiter sagen. Aber wir müssen uns unbedingt noch einmal sprechen. Es ist ganz wichtig, bitte.”
“ Es ist jetzt wirklich ungünstig”, sagte er leise. “Aber ich werde sehen, was ich tun kann, sobald ich Zeit habe.”
“ Bitte kommen Sie. Ich bin allein zu Hause, mein Mann ist nicht da, den ganzen Abend nicht.”
“ Ja, ja, ich habe verstanden. Ich komme. Aber du musst dich noch ein bisschen gedulden.”
“ Versprochen?”
“ Versprochen. Ich beeile mich.”
“ Wer war denn das jetzt? Wer muss sich gedulden?”, fragte Eva, als er sich wieder hingesetzt hatte, und er versuchte ihrem Blick standzuhalten.
“ Ein alter Kollege, du kennst ihn nicht. Wir hatten früher in Hamburg viel miteinander zu tun. Er ist neuerdings auch in Berlin, und ständig hat er irgendwelche Probleme, mal mit dem Job, dann mit seiner Frau, die sich weigert, mit hierher zu ziehen. Er hat mich schon mehrmals angerufen.”
“ Du solltest dir nicht mehr die Probleme anderer Leute aufladen”, sagte sie mit einem Stirnrunzeln. “Das hast du lange genug getan. Denk daran, was damals dein Arzt gesagt hat. Es hat bei dir Ähnlichkeiten mit diesem Helfersyndrom. Du hast einfach zu viel Unglück und Elend mit ansehen müssen.”
“ Bitte, fang nicht wieder damit an”.
“ Schon gut, schon gut, aber, Robert, versprich mir eins, versprich mir, dass du wieder etwas mehr auf dich Acht gibst.”
9.
Während der Rückfahrt war er voller Unruhe und hatte Mühe, sich auf den Verkehr zu konzentrieren. Was mochte es noch Wichtiges geben, das sie ihm zu sagen hatte? Es hatte doch so ausgesehen, als sei alles glimpflich verlaufen und die Angelegenheit so gut wie erledigt.
Doch auf halber Strecke mischte sich in seine Nervosität noch ein anderes Gefühl – Unmut, nahe an der Grenze zum Zorn. Wie kam sie, verdammt nochmal, bloß dazu, ihn auf seinem Handy anzurufen? Und woher hatte sie überhaupt diese Nummer? Allmählich reichte ihm das Ganze, es drohte ihm über den Kopf zu wachsen. Er würde jetzt noch einmal zu ihr gehen, nur dieses eine Mal noch, und ihr klipp und klar sagen, dass sie ihn fortan in Ruhe lassen solle. Und
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