Die Frau am Tor (German Edition)
Tisch herum zu ihm.
“ Vielleicht ist es ja so, dass ich mir wünsche, dass wir wirklich zusammen wären – ich meine richtig”, sagte sie leise, fast hauchend nur, in einer Tonlage, die völlig anders war als alle, die er bisher von ihr wahrgenommen hatte.
Mit einer schnellen Geste streifte sie die Träger von den Schultern, sodass das Kleid in einer fließenden Bewegung an ihrem Körper herunterglitt.
“ Komm”, sagte sie, “komm mit nach oben, ins Gästezimmer. Wir sind ganz ungestört. Mein Mann kommt frühestens morgen Abend zurück.”
Und sie gingen hinauf.
10.
Das erste Mal erwachte er von selbst, es war in der Nacht gegen eins, und er spürte die Wärme des anderen Körpers neben sich. Das zweite Mal wurde er am nächsten Morgen um halb zehn wach, allein in seinem eigenen Bett. Und es war sein Telefon, das ihn weckte. Er wartete und hoffte, es möge endlich Ruhe geben, aber das tat es nicht eher, als bis er schlaftrunken in den Flur geschlurft war und den Hörer abgenommen hatte.
“ So kannst du mit mir nicht umgehen”, begann sie aufgebracht und ohne jede Einleitung. “Du gehst einfach weg, ohne etwas zu sagen, und lässt mich dort liegen wie...wie eine....Ich habe einen furchtbaren Schrecken bekommen, als ich vorhin wach wurde und das Bett neben mir leer war. Mit allem hatte ich gerechnet, aber nicht damit, dass du dich einfach so wegschleichen würdest...nicht...danach, nachdem wir...Kannst du dir überhaupt vorstellen, wie mir zumute ist?”
“ Ach, nun komm, reg dich bitte nicht auf”, brachte er hervor, noch müde und doch um Begütigung bemüht, da ihm der Sinn nun wirklich nicht nach einer Szene stand. “Hätte ich nur geahnt, dass es dir so wichtig war, dass ich bliebe, dann wäre ich natürlich nicht gegangen. Aber ich hielt es, ehrlich gesagt, einfach für besser, nicht die ganze Nacht dort bei dir zu bleiben. Und nun sei bitte vernünftig und mach daraus kein Drama.”
“ Ja ja, Julia bleibt ganz ruhig, Julia ist vernünftig, wie immer”, wiederholte sie mit hoher, gepresster Stimme, als imitiere sie ein quengelndes Kind, um wenig später in normalem Ton fortzufahren:
“ Hör mal, ich bin einfach traurig, verstehst du das nicht? Ich hatte mir das so schön vorgestellt, gemeinsam mit dir zu aufzuwachen, ich hatte mir ausgemalt, dass wir zusammen frühstücken würden. Aber vielleicht können wir das ja noch nachholen, von mir aus auch in irgendeinem Lokal. Ich warte hier so lange auf dich.”
“ Was machst du?”, fragte er verwirrt.
“ Auf dich warten. Schau mal aus dem Fenster. Und bitte beeil dich ein bisschen. Ich habe nur eine Tasse Kaffee getrunken und großen Hunger.”
Er trat ans Fenster und sah ihren BMW unten am Straßenrand stehen. Sie hatte ihr Handy am Ohr und machte ihm Zeichen, als sie ihn oben sah.
“ Mein Gott, nun mach doch nicht so was, bitte. Was soll denn das? Wenn dich dort jemand von meinen Nachbarn sehen, gibt es nur Gerede. Fahr lieber nach Hause und warte dort, ich komme schnell nach. Oder überlege, wo wir uns sonst treffen könnten.”
“ Nein, nichts da, ich warte. Sonst lässt du mich womöglich noch einmal sitzen. Außerdem kann mir niemand verbieten, hier am Straßenrand zu parken. Was geht das denn deine Mitbewohner an, welches Auto hier zufällig wann steht?”
Er gab es auf, legte den Apparat auf die Station zurück und begann sich fertigzumachen.
Ja, es stimmte, er hatte sich weggeschlichen, so wie sie es ausgedrückt hatte. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass sie tief schlief – was nach all dem Valium des Tages, dem Wein am Abend und dann auch noch den Anstrengungen beim Sex kaum verwunderlich war -, hatte er im Halbdunkel nach seinen Kleidern getastet, wobei ihm der Mondschein zustatten kam, der durch die Ritzen der nicht ganz heruntergelassenen Jalousien fiel, hatte sich unten in der Diele angezogen und die Haustür hinter sich zugezogen.
Obschon er anschließend zu Hause noch in der Nacht geduscht hatte, tat er es jetzt, nach dem zweiten Aufstehen, noch einmal. Immer noch meinte er ihren Geruch an sich zu spüren, ebenso wie den Druck ihrer Hände, die über die Haut seines ganzen Körpers gestrichen und nach ihm gegriffen hatten, mehr als einmal, und immer noch nicht war er sich im klaren darüber, was genau er von dem zu halten hatte, das er mit ihr im Gästebett ihres Hauses erlebt hatte. Objektiv betrachtet war es zweifellos höchst genussvoll gewesen, denn sie hatte sich als versierte und kundige
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