Die Frau an Seiner Seite
Unbewusstsein sagt, ich will nicht mehr ins Licht. Ich will nicht ins Licht der Öffentlichkeit. Ich schäme mich so furchtbar. Ich kann da nicht mehr hin…. Es handelt sich um eine Selbstwertproblematik eines zutiefst verzweifelten Menschen. Es ist keine Depression im engeren klinischen Sinn. Es ist eher wie eine somatoforme Störung. Sie sagt, ich kann nicht ins Licht. Das bereitet mir Schmerzen. Ich brenne, wenn ich ins Licht gehe. Die Medizin findet nichts, aber ihre Seele weiß, dass es so ist. Das hat eine Bedeutung.«
Beide Psychologen machen den behandelnden Ärzten den Vorwurf, den »bequemen« Weg beschritten und die einfachste Diagnose gewählt zu haben, ohne den Menschen als Ganzes betrachtet zu haben.
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Was Hannelore in dieser schwierigen Zeit auch noch außerordentlich zu schaffen machte, waren Diskussionen, Spekulationen und Mutmaßungen über den Inhalt von Helmut Kohls Stasi-Akten. Niemand wusste, was tatsächlich in den Unterlagen des Archivs des DDR-Geheimdienstes nachzulesen war. Gab es etwa noch neue Erkenntnisse über den CDU-Spendenskandal, in den ihr Ehemann wie kaum ein anderer Politiker verstrickt war? Was stand in den unzähligen Protokollen der illegal mitgeschnittenen Telefongespräche zwischen ihrem Mann und anderen Personen? Schon einmal waren Mitschnitte von Telefonaten veröffentlicht worden – damals zwischen Kohl und Biedenkopf –, die zu Irritationen geführt hatten. Könnte es zum Abdruck von Telefongesprächen kommen, in denen es um ganz intime Dinge ging, auch um solche, die die eheliche Treue infrage stellten? Hannelore konnte sich das nicht vorstellen, aber beunruhigt war sie schon.
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Dass die Spendenaffäre die Reputation ihres Mannes zu zerstören drohte, dass sie mit hineingezogen wurde in den Sumpf und sich kaum noch an die Öffentlichkeit traute, war für Hannelore schlimm genug. Es ärgerte sie ungemein, dass ihr Mann für bestechlich gehalten wurde. Ihre große Angst bestand außerdem darin, dass der Altkanzler die ständigen Attacken und neuen schweren Vorwürfe gesundheitlich nicht überstehen könne. Allerdings zeigte sie wenig Verständnis für die Verfehlungen ihres Mannes. Sie war der Ansicht, er habe eine Riesendummheit begangen, die gar nicht notwendig gewesen wäre. Hinzu kam, dass Hannelore Kohl selbst Millionen von Spendengeldern sammelte und deshalb für Parteispenden überhaupt keinen Sinn und kein Verständnis hatte. Sie fand dieses Parteispendensystem absolut idiotisch, das ihren Mann Mitte der Achtzigerjahre schon einmal an den Rand einer Katastrophe gebracht hatte. Verbittert musste sie zur Kenntnis nehmen, dass sich ihr Mann nicht beugen und die Namen der Spender eher mit ins Grab nehmen würde als sie zu seiner eigenen Entlastung zu nennen. Gab es überhaupt die Spender, verfügte ihr Mann überhaupt über Namen? Gab es vielleicht nur einen einzigen Großspender? Handelte es sich möglicherweise um Zahlungen von Dienstleistungen für Parteiveranstaltungen, die gar nicht erbracht worden waren und auf einem Umweg in schwarze Kassen des Parteivorsitzenden flossen? Alles war möglich, mit all diesen Fragen zermarterte sich Hannelore den Kopf. Das eiserne Schweigen des schwer angeschlagenen Altkanzlers war natürlich nicht hilfreich. Gleichzeitig ärgerte sie sich maßlos über ehemalige Parteifreunde wie Kurt Biedenkopf, Heiner Geißler, Richard von Weizsäcker und viele andere, die zu den bekannten Gegnern ihres Mannes zählten und jetzt einmal mehr auf Helmut Kohl eindroschen. Dass in der Spendenaffäre dann auch noch langjährige Kohlianer wie Norbert Blüm und andere dem Gescholtenen in den Rücken fielen, machte sie tief betroffen, und sie sprach von elendem Verrat.
Dass ihre Kinder mit ihren Familien ebenfalls in die Spendenaffäre hineingezogen wurden, kränkte sie sehr. Als am 7. Mai 2001 das Hamburger Nachrichtenmagazin Der Spiegel ausführlich über das Geschäftsgebaren des Investmentbankers Peter Kohl und seiner Firma im Steuerparadies Jersey berichtete, drehte Hannelore fast durch. Es war der Versuch des Nachrichtenmagazins, eine nicht-existente Verbindung zwischen den Geschäften von Vater und Sohn herzustellen und das Lebenswerk des ehemaligen Kanzlers in ein schlechtes Licht zu rücken. Die Aufregung im Hause Kohl und im Berliner Büro war riesengroß. Die Söhne konnten nun wirklich nichts für die Spenden an ihren Vater, und dafür, dass er diese nicht ordnungsgemäß verbucht hatte. Nun mussten sie sich auch noch sagen
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