Die Frau an Seiner Seite
lassen, wegen ihres Namens könne man nicht mehr ohne Vorbehalte geschäftlich mit ihnen verkehren. Für Hannelore ein Stich mitten ins Herz.
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Schon längst konnte sie nicht mehr fliegen, ihre neue Wohnung in Berlin, die sie so glücklich gemacht hatte, blieb leer. Die Planung, nach Beendigung des Bundestagsmandates jeweils die Hälfte der Zeit in Berlin und in Ludwigshafen zu verbringen, war längst obsolet. Ein Traum war zu Ende gegangen. Öffentliche Auftritte gab es schon lange nicht mehr. Hannelore lehnte alle Einladungen ab, und ein gemeinsames Leben mit ihrem Mann fand kaum noch statt.
Hannelore fühlte sich geächtet. Es gab Situationen, wenn sie sich doch einmal nach draußen wagte, dass Passanten demonstrativ vor ihr auf der Straße ausspuckten und sie sogar »Spendenhure« nannten. Die Spendenaffäre brachte einen riesigen Ansehensverlust für das Ehepaar mit sich und einen tiefen gesellschaftlichen Absturz. Es war der katastrophale Zusammenbruch einer ganzen Welt, eine Situation, wie sie sie schon einmal in ihrem Leben hatte hinnehmen müssen. Es war das zweite Mal, dass sie unverschuldet quasi in Sippenhaft genommen wurde: einmal als Kind, diesmal als Ehefrau.
In der Spendenaffäre war im Grunde nur noch Verlass auf Helmut Kohls Anwälte. Die wenigen noch verbliebenen treuesten Kohlianer taten, was in dieser schwierigen Situation zu tun war: Sie hielten Kontakt zum einst mächtigen Parteivorsitzenden und besprachen mit ihm, wie man den Anforderungen des parlamentarischen Untersuchungsausschusses genügen konnte. Ansonsten war es einsam geworden um Helmut Kohl. Wegen befürchteter Gegendemonstrationen und möglicher Ausschreitungen versiegte der sonst übliche Einladungsstrom zu repräsentativen Veranstaltungen und öffentlichen Auftritten.
Auf die beiden Söhne konnte Helmut Kohl nicht in dem Umfang bauen, wie er sich das vielleicht gewünscht hatte. Im Nachgang der Spendenaffäre zeigten sie Distanz, vielleicht auch aus Selbstschutz gegenüber der Mutter. Vor allem Walter Kohl hatte damals mit neuen beruflichen Herausforderungen zu kämpfen, und auch privat war vieles im Umbruch. Peter machte Karriere als Investmentbanker. Er war weit weg, ging in London seinem Beruf nach. Für die kranke Mutter hatten die Söhne deshalb nicht immer so viel Zeit, wie diese sich wünschte.
Mitte Dezember 2000 flog Helmut Kohl mit seinen beiden Söhnen nach Istanbul, um nach türkischer Tradition beim Vater von Peters Freundin Elif um deren Hand anzuhalten. Hannelore musste aus gesundheitlichen Gründen (für Istanbul hatte der Wetterbericht strahlenden Sonnenschein vorausgesagt) auf eine Mitreise verzichten, was ihr unendlich wehtat. Noch trauriger fühlte sie sich, als Sohn Peter am 26. Mai 2001 seine Freundin in Istanbul heiratete. Allen Beteiligten war klar, dass Hannelore daran nicht würde teilnehmen können. Sie hatte deshalb lange Zeit darum gebeten, den katholischen Teil der Trauung in der Bundesrepublik zu vollziehen, damit sie dabei sein konnte. Ihr schwebte eine abendliche katholische Eheschließung in einem pfälzischen Kirchlein vor mit anschließender Hochzeitsfeier im »Deidesheimer Hof«. Ihre Wünsche konnten nicht erfüllt werden, sie wären ein Affront gegenüber den Brauteltern gewesen. Nur über das Handy des Sohnes Walter wohnte sie deshalb der islamischen und katholischen Trauung bei. Wer sie an diesem Tag in ihrem Haus erlebte, war erschüttert über ihre Verfassung. Anneliese Wiß und Ursula Fischer standen ihr ganztägig zur Seite. Hannelore Kohl war körperlich derart fertig, dass beide zeitweise glaubten, den Notarzt rufen zu müssen. Peter Kohl bestätigt in seinem Buch, dass es für Hannelore »ganz, ganz schrecklich« gewesen war, »dass sie bei dieser Hochzeit nicht dabei sein konnte. Am Abend war sie still und in sich gekehrt.«
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Vierzig Tage später war Hannelore Kohl tot. Sie starb an einer Überdosis Morphiumsulfat und Schlaftabletten. Am 5. Juli 2001 wurde sie von Hilde und Ecki Seeber gegen 11:15 Uhr in ihrem Bungalow tot aufgefunden. Sie hinterließ zwanzig Abschiedsbriefe.
Für ihren Selbstmord gab es mehrere Gründe. An erster Stelle muss die Spendenaffäre ihres Mannes genannt werden. Die tief empfundene gesellschaftliche Ächtung, eine Wiederholung des Traumas ihrer Kindheit, waren das Allerschlimmste für sie. Der durch die Affäre ausgelöste Ansehensverlust ihrer Familie war für Hannelore Kohl kaum auszuhalten. Öffentlich gebrandmarkt zu werden für
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