Die Frau an Seiner Seite
Pannenhilfsdienst. In den besetzten Ostgebieten war das NSKK allerdings in hohem Maße an Deportationen von Juden beteiligt und machte sich auf diese Weise zum willfährigen Diener der Vernichtungsmaschinerie. Es gibt keine Hinweise, dass sich der viel beschäftigte HASAG-Direktor an diesen Maßnahmen beteiligt hat. 1945 wurde das NSKK aufgelöst und verboten.
Auch das nationalsozialistische Fliegerkorps war eine paramilitärische Organisation, die unmittelbar Reichsluftfahrtminister Hermann Göring unterstand. Die Mitgliedschaft war freiwillig. Im Personalbogen der NSDAP Kreis Leipzig vom 14. März 1944 wird eine weitere Funktion Wilhelm Renners aufgeführt. Er war Werkluftschutzleiter der HASAG. Zentrale Aufgabe des Werkluftschutzes war es, »die Erhaltung der industriellen Erzeugung und die Sicherstellung der Versorgung, sowohl der kämpfenden Truppe als auch der Bevölkerung (sicherzustellen), da sie die erste Voraussetzung für eine erfolgreiche Landverteidigung« sei. Dem Werkschutzleiter unterstand ein besonderer Dienst zur Aufrechterhaltung der Ordnung im Betrieb vor, bei und nach einem Luftangriff: Werksfeuerwehrtrupps, ein Werkssanitäts- und ein Entgiftungsdienst, Arbeits- sowie Störungstrupps, die innerhalb des Werkes Schäden an den Leitungen für Gas, Wasser, Elektrizität und Kanalisation zu beseitigen hatten. Die Einsätze der Trupps beschränkten sich indes auf Übungen. Wie durch ein Wunder blieb das Stammwerk trotz ständiger Bombardierung der Messestadt unversehrt.
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Während der letzten Monate der Nazi-Herrschaft überstürzten sich die Ereignisse im HASAG-Werk in Leipzig. Die Betriebsleitung verschärfte die Sicherheitskontrollen, Paul Budin reagierte mit dem Erlass des Schießbefehls auf sich häufende Diebstähle und den wachsenden Widerstand der Zwangsarbeiter. Unmittelbar vor dem Einmarsch der Amerikaner erschienen große Teile der Belegschaft nicht mehr zur Arbeit. Nach Erkenntnissen der Historiker schickten SS-Männer noch einmal Hunderte Häftlinge in den Tod. Die Evakuierung der werkseigenen KZ-Lager und die Mitte April 1945 beginnenden Fußmärsche der geschwächten Insassen gehören zu den schrecklichen Verbrechen in der Endphase des Krieges.
HASAG-Chef und SS-Mann Paul Budin versuchte noch in den letzten Kriegstagen, die Verteidigung der Stadt zu organisieren und den Oberbürgermeister zu überreden, Leipzig zur Festung zu erklären. Doch die Stadtspitze lehnte ab. Wenn ihm schon das misslang, wollte Budin wenigstens die deutsche Restbelegschaft der HASAG auf den »Endkampf« einstimmen. Obwohl die Zerfallserscheinungen auch im nationalsozialistischen Musterbetrieb HASAG nicht mehr zu übersehen waren, trat Budin zusammen mit seinem Vertrauten Wilhelm Renner noch einmal, ein letztes Mal, vor die Belegschaft und forderte sie mit starken Worten auf, bis zum Letzten fanatischen Widerstand zu leisten. Die Resonanz war gering, es fanden sich kaum Freiwillige, die sich im letzten Moment noch verheizen lassen wollten. Die Amerikaner standen bereits vor den Toren Leipzigs.
Nach seinem dramatischen Auftritt im Werk soll sich Budin zusammen mit seiner Frau in der Nacht vom 13. auf den 14. April im Verwaltungsgebäude der HASAG in die Luft gesprengt haben. Die Detonation riss zwei Mitarbeiter der Betriebswache in den Tod und vernichtete Teile des Firmenarchivs. Die Leichen des Ehepaars Budin und ihrer beiden Hunde wurden indes nie gefunden. Bis heute halten sich Gerüchte, der SS-Mann habe sich unerkannt Richtung Westen abgesetzt.
Nach der Befreiung der Sachsenmetropole am 18. April 1945 durch Einheiten der 3. US-Armee und der Besetzung des HASAG-Stammwerkes nahm Renner zusammen mit Kollegen der alten Geschäftsleitung Kontakt zu den Siegern auf, in der Hoffnung, die Kontrolle über das Werk behalten zu können. Tatsächlich lief bereits im Juni 1945 die Produktion wieder an – umgestellt auf Friedenszeiten wurden bis zur Werksdemontage durch die Sowjets 1946 Kochtöpfe, Lampen und dergleichen hergestellt. An einer Übernahme der alten Firmenleitung hatten die Amerikaner allerdings kein Interesse. Wenngleich sie für die Übersiedlung einer unbekannten Anzahl von HASAG-Spezialisten in die Vereinigten Staaten sorgten, die dort Waffen für die Amerikaner entwickeln sollten. Direktor Wilhelm Renner war nicht dabei.
TRAUMA
Für die Bevölkerung Mitteldeutschlands letztlich überraschend verließen die Amerikaner die von ihnen bereits besetzte Region. Sie tauschten sie ein gegen einen
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