Die Frau an Seiner Seite
denkbaren. Sie kümmerte sich um alles, was eine Ehefrau neben der Erziehung der Kinder leisten konnte. Geld verwalten und anlegen, Bankgeschäfte tätigen, Haus und Hof verwalten. Ihr Mann brauchte sich in Ludwigshafen um überhaupt nichts zu kümmern. Er pflegte sein mächtiges Patriarchat und konzentrierte sich auf sein Hauptanliegen, die politische Arbeit. Auch wenn es heute unverständlich erscheinen mag, empfand Hannelore es nicht als Makel, auf eine eigene Karriere verzichtet zu haben. Die anfängliche Unzufriedenheit über die verlorene Unabhängigkeit mit eigenem Einkommen trat hinter das zurück, was ihr viel größer erschien – Kinder und Familienleben. Für ihre Kinder hätte sie ihr Leben gegeben, für sie opferte sie sich auf. Die Rolle als Übermutter, so steht zu vermuten, dürfte den Söhnen mit zunehmendem Alter auf die Nerven gegangen sein. Es konnte hier wie in anderen Familien durchaus lästig sein, wenn die Mutter wie eine Glucke alles umhegte und Ansichten vertrat, von denen man sich gerade als Jugendlicher abgrenzen und endlich flügge werden wollte. Dass Kinder naturgemäß anders denken als ihre Eltern und anders entscheiden wollen, ließ Hannelore lange Zeit nicht zu. Streng und mit einer Portion Autorität zog sie ihr Programm durch und nahm, wie sie sich später schmunzelnd erinnerte, manchmal wenig Rücksicht auf die Bedürfnisse und Eigenarten ihrer Söhne. Walter und Peter waren »ihre Männer«, denen sie ihre Vorstellungen von einer guten Zukunft mit Nachdruck nahe brachte. Womöglich hatte sie Schuldgefühle, wenn sie ihren Söhnen nicht plausibel genug erklären konnte, warum das Familienleben so funktionierte und nicht anders. An ein normales Miteinander aller vier Kohls war kaum zu denken, schon weil immer einer fehlte. Und diesen Mangel versuchte sie auszugleichen, indem sie ihre Rolle als Mutter noch stärker perfektionierte. Ein Teufelskreis aus Überprotektion und Abhängigkeiten, aus dem sich die Kinder in einem mitunter mühevollen Prozess emanzipierten.
FIRST LADY
Als Helmut Kohl im Mai 1969 zum rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten gewählt wurde, war er gerade 39 Jahre alt geworden. An der Seite des jüngsten Regierungschefs eines Bundeslandes der Bundesrepublik Deutschland stand mit 36 Jahren Hannelore als jüngste First Lady. Die attraktive Landesmutter zog sofort das Interesse der Mainzer Landespresse auf sich. Die ersten Fotos zeigen eine charmante und sympathische Hannelore Kohl. Als Gattin des Fraktionsvorsitzenden hatte sie die Popularität ihres Mannes und damit auch das Interesse an ihrer Person kritisch verfolgt. Eher zurückhaltend und bescheiden präsentierte sie sich nun in ihrer neuen Rolle als Landesmutter von rund 3,6 Millionen Bürgern.
Im Gegensatz zu ihrem Mann war sie, was ihr Zuhause anging, nicht politisch vorgeprägt. Ihre Eltern trugen die Lasten der Vergangenheit und wollten als »gebrannte Kinder« nie wieder etwas mit Politik zu tun haben. Davon wurde Hannelore als Jugendliche wesentlich beeinflusst. Politik, zumal Parteipolitik, wie sie ihr Mann durchlebte, interessierte sie überhaupt nicht. Innerparteiliche Auseinandersetzungen und Machtkämpfe stießen sie ab. Im Grunde brachte sie für den Beruf ihres Mannes nicht allzu viel Verständnis auf. Gleichwohl zwang ihre preußische Pflichtauffassung sie, jedwede Unterstützung für ihren Mann und sein Ansehen aufzubringen. Dazu gehörte, öffentliche Auftritte wahrzunehmen und sich dieser Aufgabe mit der gebotenen Souveränität zu stellen. Noch fehlten ihr die innere Ruhe und vor allem die Sicherheit in der Öffentlichkeit, die sie sich dringend aneignen musste. Dass ihr das nicht leicht von der Hand ging, war offensichtlich. Man konnte sehen, wie sehr sie sich um fehlerfreies Wirken bemühte. Bemerkenswert war aber auch, wie rasch sie die Herzen der Menschen gewann. Hannelore spürte, dass sie über ein enormes Sympathiepotenzial verfügte und das machte sie mit der Zeit selbstbewusster. Die neue First Lady entwickelte eine eigene Art, mit den Menschen zu kommunizieren, die von den Bürgern angenommen wurde. Dennoch blieb sie von ihrem Wesen her ein scheuer Mensch. Vor allem Massenveranstaltungen bereiteten ihr große Probleme. Wegen ihrer nicht enden wollenden Rückenschmerzen hatte sie Angst vor großen Menschenmengen. Im Gegensatz zu ihrem Mann, der das Bad in der Menge genoss und ganz in seinem Element war, fürchtete sie, im Gedränge verletzt zu werden. Welche körperlichen
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