Die Frau an Seiner Seite
Rheinland-Pfalz, nun kam, neben dem Amt als Ministerpräsident, auch noch der Posten als stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU dazu. Eine Ämterhäufung, gegen die Hannelore erhebliche Einwände hatte. Sie hätte es begrüßt, wenn ihr Mann auf das Ministerpräsidentenamt verzichtet hätte – in der Hoffung, ein normaleres Familienleben führen zu können. Doch auf Entscheidungen ihres Mannes im Politikbetrieb hatte sie keinerlei Einfluss.
Mit dem Sprung ihres Mannes in die Riege der Ministerpräsidenten kam auf Hannelore eine neue Rolle zu, die mit erheblichen Repräsentationspflichten einherging. Noch versuchte sie, auf Distanz zu den Aufgaben einer Landesmutter zu gehen. Ihre ganze Kraft sollte weiterhin den Kindern gelten. Ein Balanceakt, der immer schwieriger wurde. Auch wenn sie wenig Gefallen an der Übernahme der neuen Pflichten fand, stieg der Erwartungsdruck. Die nach außen immer charmant und sympathisch wirkende Ministerpräsidenten-Gattin nahm ihre Rolle eher zögerlich an. Um möglichst wenig außer Haus sein zu müssen, erledigte sie viele Aufgaben in ihrem Ludwigshafener Eigenheim. Allerdings kam sie nicht umhin, zu mancher gesellschaftlichen Veranstaltung und zu offiziellen Auftritten in die Landeshauptstadt Mainz zu fahren. Besonderen Gefallen fand sie daran nicht, zumal es kaum einen Augenblick in jenen Jahren gab, in denen sie sich schmerzfrei auf öffentlichem Parkett bewegen konnte. Die alte Wirbelverletzung verursachte ihr immer wieder Probleme. Nach außen ließ sie nie erkennen, wie sie sich fühlte, was sie bedrückte, um was sie sich wirklich kümmern wollte. Um der Doppelbelastung standzuhalten, verhielt sie sich sehr selektiv bei der Entscheidung für oder gegen einen Auftritt bei politischen Veranstaltungen an der Seite ihres Mannes. Helmut zeigte viel Verständnis, vor allem dann, wenn die Priorität den Kindern galt. Er wusste, Hannelore würde im entscheidenden Moment trotzdem an seiner Seite sein.
Einst jüngster Landtagsabgeordneter, jüngster Fraktionschef und CDU-Landesvorsitzender und jetzt der jüngste Ministerpräsident eines Bundeslandes: Helmut Kohl unternahm große Anstrengungen, ohne ideologische Scheuklappen den hohen Erwartungen gerecht zu werden und in Partei, Fraktion und Regierung ein neues Wir-Gefühl zu entwickeln. Mit großem persönlichen Einsatz und viel Fortune gelang ihm vieles, und er setzte landespolitische Reformen durch, die bundesweit Anerkennung fanden. Dabei hielt ihm Hannelore den Rücken frei. Die Familie und das Eigenheim in Ludwigshafen waren für ihn ein wichtiges Rückzugsgebiet, ein Ort der Entspannung und Ruhe, den Hannelore mit Charme und Ideenreichtum führte.
Die Erziehung der Kinder lag allein in ihren Händen, der Vater hatte damit so gut wie nichts zu tun. Er war einfach nicht da – er kam spät nachts nach Hause und war in aller Frühe bereits wieder weg. Für die Söhne war Helmut Kohl ein selten gesehener Gast, ein Besucher, der nicht einmal an den Wochenenden uneingeschränkt Zeit für sie hatte. Hannelore musste die zahlreichen Aufgaben weitgehend alleine schultern. Ihre Mutter war seit 1962 Rentnerin und ging ihren Hobbys nach. Eine echte Hilfe war »Gogo«, wie Walter und Peter ihre Oma nannten, eher nicht. Gut, dass es die Haushaltshilfe Hilde Seeber gab, die Hannelore wirklich entlastete. Verantwortung trug die junge Mutter auch für die fünf Kilometer entfernt wohnenden Schwiegereltern, die sie regelmäßig besuchte. Bei aller Distanz zur dominanten und eher kühlen Schwiegermutter musste sie sich von Jahr zu Jahr mehr um deren gesundheitliche Probleme kümmern. Hannelore bemühte sich nach Kräften um Harmonie in der Familie. Doch das Wichtigste für sie war es, ihren Mann, den Spitzenpolitiker und einflussreichen Strippenzieher in der CDU, auf jede nur denkbare Weise zu unterstützen.
Walter Kohl veröffentlichte im Frühjahr 2011 ein Buch über seine Leidensgeschichte als Sohn von Kohl. Unter dem Titel Leben oder gelebt werden. Schritte auf dem Weg zur Versöhnung beschreibt er in einer Mischung aus Autobiografie und Ratgeber, was er in seiner Kindheit und Jugend als Sohn des langjährigen Spitzenpolitikers und Bundeskanzlers erleben musste. Darin beklagt er, dass der Vater nie mit ihm geredet habe, dass es ihm verwehrt geblieben sei, mit seinen Sorgen zu ihm zu kommen. Helmut Kohl sei alles andere als ein verständnisvoller, interessierter Vater gewesen. Selbst wenn er einmal physisch anwesend gewesen sei, habe es
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