Die Frau an Seiner Seite
einem souveränen Auftritt. Die von politischen Gegnern oft verlachte »Barbie von der Pfalz«, dieses »Provinzmäuschen«, beherrschte längst nicht nur öffentliche Auftritte in der rheinland-pfälzischen Provinz, sondern glänzte auch auf dem internationalen Parkett. Großen Gefallen fand sie an Unterhaltungen mit Vertretern der amerikanischen oder französischen Streitkräfte in Deutschland. Mit den Militärs sprach sie in deren Muttersprache über Land und Leute, versuchte, ihnen die deutsche Mentalität und die deutsche Geschichte näherzubringen. Auch hier sparte sie Themen der aktuellen Politik, Probleme der Landesverteidigung oder der Weltpolitik allgemein konsequent aus. Politik war und blieb die Domäne ihres Mannes. Trotzdem flüchtete sie sich nicht in Smalltalk, sondern beschrieb eloquent und unterhaltsam die besonderen Eigenarten und sehr unterschiedlichen Mentalitäten des rheinland-pfälzischen Menschenschlags. Was Hannelore auf diesem Gebiet leistete, konnte kein noch so gut und aufwändig gedrehter Werbefilm vermitteln. Noch heute schwärmt der langjährige Protokollchef Dr. Jürgen Hartmann über Hannelores Auftritte, die ihre eigenständige Persönlichkeit deutlich werden ließen. Vor allem im deutsch-französischen Verhältnis, genauer in den Beziehungen zwischen Rheinland-Pfalz und Burgund, war Hannelore ein ganz wichtiges Bindeglied zwischen den politischen Spitzen dieser beiden europäischen Kernregionen. Hier hatte sie sich Freiräume geschaffen und Fähigkeiten unter Beweis gestellt, die ihr Mann nur bewundern konnte.
Mindestens einmal in der Woche kam Hannelore nach Mainz. Anfangs hatte sie in der Staatskanzlei kein eigenes Büro, konnte aber ein Zimmer ihres Mannes unter dem Dach nutzen, in dem der Ministerpräsident immer dann übernachtete, wenn sich eine Rückfahrt nach Ludwigshafen aus terminlichen Gründen nicht lohnte. Hannelore selbst kehrte nach jeder Veranstaltung in der Landeshauptstadt zurück nach Hause. In der Staatskanzlei hatte sie im Büro des Ministerpräsidenten eine Ansprechpartnerin, die neben den Männern des Protokolls für einen reibungslosen Ablauf ihrer Termine sorgte. Sie liebte Veranstaltungen, bei denen sie ihre Sprachkenntnisse »auskosten« konnte, und hatte keinerlei Schwierigkeiten, auf Menschen zuzugehen. Wenn sie alleine auftrat, gelang es ihr mühelos, alle Augen auf sich zu lenken. Spitz, spritzig und reaktionsschnell konnte sie argumentieren, zeigte reges Interesse an ihren Gesprächspartnern, verstand es zuzuhören und versuchte niemals, sich wichtiger als ihr Gegenüber zu nehmen. Im Gegensatz zu vielen anderen Politikerfrauen plusterte sie sich niemals auf, auch wenn sie oft im Mittelpunkt eines Empfanges stand. Ihre direkte, ja beinahe burschikose Art, Leute anzusprechen und dabei auch eine ganz undiplomatische Sprache zu benutzen, zeichneten sie in besonderer Weise aus. Sie war die Sympathieträgerin schlechthin für ihren Mann, sein Kabinett und für das Bundesland Rheinland-Pfalz.
Körperlich hingegen war Hannelore Kohl nicht besonders belastbar. Empfänge zum neuen Jahr und zum Verfassungstag im Mai beispielsweise waren ihr eine Last. Stundenlanges Stehen an der Seite ihres Mannes und Händeschütteln von über 600 Personen kosteten sie viel Kraft. Einmal wurde ihr sogar die Hand gebrochen, ein stundenlanger Krankenhausaufenthalt war die Folge. Tagelang trug sie ihre rechte Hand in Gips. Nachdem sich der Verursacher von ihrem Mann eine unvergessene Standpauke anhören musste und sich gezwungen sah, mit einem außergewöhnlich großen Blumenstrauß um Verzeihung zu bitten, reagierte die First Lady mit einem schriftlichen Dankeschön.
Auffallend war, dass sich Hannelore nur von ihrer freundlichen Seite zeigte, wenn sie Menschen vertraute. Misstrauisch zeigte sie sich bei Leuten, die sich bei ihr einschmeicheln wollten, ihr nach dem Munde redeten. Dann konnte sie sehr unangenehm werden, reagierte kühl und mit Verschlossenheit. In den ersten Jahren als öffentliche Person an der Seite ihres Mannes wurde auch der Grundstein gelegt für ihre kritische Haltung Journalisten gegenüber. Sie empfand Verachtung für jene Vertreter dieses Berufsstandes, die sich ihr gegenüber freundlich und zuvorkommend verhielten und gleichzeitig Geschichten publizierten, die Hannelores Wahrnehmungen diametral widersprachen. Vor allem die ständige Gier mancher Boulevardjournalisten, aber auch Vertreter seriöser Zeitungen, etwas über ihre Ehe und Familie, über
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