Die Frau an Seiner Seite
Schule und Ausbildung der Kinder zu erfahren, ließ Hannelore zur Furie werden. Wenn es um die Kinder ging, wurde sie unberechenbar. Sie konnte Termine platzen lassen, wichtige repräsentative Pflichten vernachlässigen, wenn ihre Präsenz in Ludwigshafen gefragt war. Das kleinste Problem bei einem ihrer beiden Söhne – und sei es aus der Außensicht noch so nebensächlich – hielt sie nicht davon ab, das Mainzer Protokoll oder den jeweiligen Veranstalter in größte Verlegenheit zu bringen. Die alleinerziehende Mutter räumte zu allen Zeiten ihren Kindern die absolute Priorität ein. Sie sollten geschützt werden, vor allem vor den Medien. Auch deshalb waren Hannelore die jährlichen Pressetermine während des Sommerurlaubs ein besonderes Gräuel.
Seit 1962 reisten die Kohls im Sommer traditionell an den Wolfgangsee. Und seit dieser Zeit gehörten Interview- und Fototermine zum festen Bestandteil des Österreich-Urlaubs. Daran hatten nicht nur Journalisten der Landespresse großes Interesse. Nachdem Helmut Kohl 1973 Bundesvorsitzender der CDU geworden war, wollten auch Vertreter der Bonner Bundespressekonferenz dem urlaubenden Kohl und seiner Gattin ihre Aufwartung machen. Während der Ministerpräsident, spätere Oppositionsführer und Kanzler Pressetermine im Urlaub gerne wahrnahmen, hasste Hannelore die gemeinsame Urlaubszeit am Wolfgangsee, wie sie mir einmal anvertraute. Ihre größte Sorge galt ihren zehn und zwölf Jahre alten Kindern, hinter denen die Fotografen hinterher waren wie der Teufel hinter einer armen Seele. Streit zwischen den Eheleuten war vorprogrammiert. Davon bekam allerdings niemand etwas mit. Hannelore konnte ihr freundlichstes Lächeln aufsetzen, selbst wenn es in ihrem Innern noch so sehr kochte.
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Der Mainzer Regierungschef verfügte über einen mit erlesenen Sorten vortrefflich gefüllten Weinkeller von über 1000 Flaschen aus allen Weinbaugebieten des Landes. Dafür sorgten die Mitarbeiter des Protokolls. Einer von ihnen kochte dem Ministerpräsidenten seine Lieblingsspeisen, wann immer es Kohls Terminkalender erlaubte. Dabei konzentrierte sich Manfred Borsekowsky, so der Name des Kochs, auf die beliebte Hausmannskost, die Helmut Kohl besonders schätzte. Der in dieser Beziehung pflegeleichte Ludwigshafener überließ seinem Koch die Auswahl der Speisen. Nur Innereien waren tabu. Wenn hochrangige Gäste angesagt waren, ließ sich der Koch aus Schlesien etwas Besonderes einfallen. Bei größeren gesellschaftlichen Veranstaltungen kam das Essen hingegen aus den Spitzenküchen zweier Mainzer Hotels.
Auch Hannelore wusste das Essen der Staatskanzlei zu genießen und trank ab und an ein Glas Wein mit Manfred Borsekowsky. Der Koch hat die First Lady bis heute in bester Erinnerung, schwärmt von ihrer Hilfsbereitschaft auch in ganz persönlichen Angelegenheiten. Gerne erzählt er, wie sehr sich Hannelore für die Entwicklung seiner drei Kinder interessierte und manch brauchbaren Ratschlag gab. Borsekowsky weiß allerlei Anekdoten, die sich um Essen und Trinken in und auch außerhalb der Staatskanzlei ranken. So zum Beispiel über das »Drama« während der Kommunionfeier des Kohl-Sohnes Peter. Hannelore hatte den Koch der Staatskanzlei gebeten, die kulinarische Versorgung der Gäste zu übernehmen. Doch bei dem Fest im Oggersheimer Bungalow versagte der Backofen. Was in der Küche der Staatskanzlei an wunderbar gefüllten Flugenten vorgekocht war, wollte in Hannelores Eigenheim nicht heiß werden. Es war schließlich Kohls Fahrer Ecki Seeber, der den rettenden Einfall hatte, bei den Nachbarn insgesamt drei Grillgeräte auszuleihen, damit der Festkorona mit reichlicher Verspätung das Festmahl kredenzt werden konnte. Auch wenn Borsekowsky für die Ofenpanne weiß Gott nichts konnte, fürchtete er den Zorn des Hausherren. Es war Hannelore, die ihm die Angst nahm, für die Verzögerung des Mittagessens verantwortlich gemacht zu werden.
Ihr Umgang mit Angestellten – egal ob Hauspersonal, Fahrer, Staatskanzlei-Beamte, Pförtner oder Sicherheitsleute – ist etwas, das alle noch heute hervorheben. Hannelore gehörte zu den Politikerfrauen, die nicht nur Verständnis für deren Arbeit hatte, sondern bei Fehlern und Nachlässigkeiten immer auf der Seite der Schwächeren stand. Wen immer man als Zeitzeugen aus der Mainzer Zeit befragt: Hannelores Einfühlungsvermögen in die Menschen, ihr offenes Ohr für Probleme, ihre Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit werden hoch gelobt.
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Viel
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