Die Frau an Seiner Seite
an diesem Ort vertraulicher Gespräche und wegweisender Beschlüsse nicht vorbeikommen. Der Bungalow war auch Ziel friedlicher wie militanter Demonstrationen. In den Jahren der terroristischen Bedrohung gehörte er zu den bestbewachtesten Häusern der Bundesrepublik. Das hatte Konsequenzen für den Alltag, für die Kinder, für die ganze Familie. Der Ministerpräsident und seine Frau standen als Zielobjekte auf den Listen von Terroristen. Walter Kohl beschreibt in seinem Buch eindrucksvoll die lückenlose Bewachung des Ludwigshafener Eigenheims in den Siebzigerjahren, als die Bedrohung durch den RAF-Terror für ihn, seinen Bruder und seine Mutter allgegenwärtig war. Auch in dieser Zeit sah der übermächtige und unnahbare Vater keine Notwendigkeit, mit den Kindern über ständig wiederkehrende Bedrohungsgefühle zu sprechen. Er verweigerte darüber einfach jedes Gespräch und blieb für die Söhne ein kaum greifbarer Mensch. Die Kinder mussten mit polizeilichen Maßnahmen zurechtkommen und Überwachung beim Spielen und Polizeischutz auf dem Schulweg akzeptieren. Walter konnte mit zwölf Jahren schon die Heckler-&-Koch-Maschinenpistolen seiner Personenschützer auf der Rückbank des Polizeiwagens zerlegen und wieder zusammensetzen, während ihn die Beamten zur Schule fuhren. Die Bedrohung durch die RAF hielt während seiner gesamten Schulzeit an. Eltern von Spielkameraden reagierten zum Teil hysterisch und verboten den Kontakt zu den Kohl-Söhnen, weil er ihnen zu gefährlich schien.
Als Helmut Kohl nach dem Rücktritt Rainer Barzels im Juni 1973 zum Bundesvorsitzenden der CDU Deutschlands gewählt wurde, nahmen die Sicherheitsmaßnahmen für ihn und seine Familie noch einmal erheblich zu. Die Kinder wurden nicht nur in Polizeibegleitung zur Schule gebracht, auch ihre Freizeitgestaltung litt angesichts der akuten Bedrohung. Ob sie um Fußball- oder Tennisplatz wollten, immer standen sie unter Kontrolle der Polizei, was sie außerordentlich hassten. Ein normales Leben, eine sorglose Kindheit und Jugend waren völlig ausgeschlossen. Die Kinder empfanden ihr Leben als Söhne von Kohl lange Zeit als unerträglich. Bis zu ihrem 16. Lebensjahr waren sie verpflichtet, den Personenschutz zu akzeptieren. Danach lehnten sie konsequent jegliche weitere Gängelung durch die Sicherheitsbehörden ab.
Für Hannelore waren diese Jahre eine äußerst bittere Lebensphase. So hatte sie sich ihr Leben und das ihrer Kinder nicht vorgestellt. Dass Helmuts Ämterübernahme in Land und Bund derartige Auswirkungen auf das Familienleben haben würde, hatte sie sich in den kühnsten Träumen nicht vorgestellt. Die Öffentlichkeit hatte keine Ahnung, mit welchen Bedrohungsszenarien die Familie leben musste. Nach außen hin wirkten die Kohls wie eine Familie, die mit aller Macht ihren Privatbereich schützte und nichts über familiäre Probleme nach außen ließ.
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An der Seite ihres Mannes vermittelte Hannelore der Öffentlichkeit ein neues Bild des Typus der »Landesmutter«, ein Begriff, den sie überhaupt nicht mochte. Ihre Vorgängerin, die Gattin des fast achtzigjährigen Peter Altmeier, war einmal im Jahr zum Neujahrsempfang in der Staatskanzlei aufgetreten. Hannelore hingegen zeigte Präsenz bei Besuchen hoher auswärtiger Gäste. Mit Kohls Amtsantritt gab es erstmals einen qualifizierten Protokollchef, mit dem sich Hannelore sehr gut verstand. Dieser hoch gebildete Diplomat, der seine Ausbildung im benachbarten Frankreich durchlaufen hatte, traf den richtigen Ton. Er begleitete Hannelores Auftritte mit guten Ratschlägen, die diese gerne befolgte. Es machte ihr sichtlich Freude, den Anweisungen des Mainzer Protokollchefs nachzukommen und bei Staatsbesuchen ihre brillanten Sprachkenntnisse einzusetzen. Im Gegensatz zu ihrem Mann konnte sie sich fehlerfrei in englischer oder französischer Sprache mit den Gästen unterhalten. Voller Stolz demonstrierte sie auch ihrem Gatten zumindest auf dem Gebiet der Fremdsprachen ihre Überlegenheit. In den Gesprächen ging es ihr nie um die große Politik, nie um Analysen oder Bewertungen. Sie warb für das schöne Bundesland Rheinland-Pfalz, erzählte von Geschichte und Kultur, von den Menschen und ihren Leistungen. Sie fand leicht Zugang zu den Gästen und waren sie noch so spröde, wie etwa der ehemalige Bundespräsident Gustav Heinemann. Als im Oktober 1971 der japanische Kaiser Hirohito und Kaiserin Nagako einen Besuch in Mainz abstatteten, überzeugte die junge Landesmutter auch hier mit
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