Die Frau an Seiner Seite
Zeit für ihre Hobbys blieb Hannelore in ihrer neuen Rolle als Frau des Ministerpräsidenten nicht. Gleichwohl nutzte sie seit dem Umzug in das neue Haus sogar bei winterlichen Außentemperaturen das Schwimmbad im Garten. Schwimmen im Rhein, wie sie es Ende der Vierzigerjahre zusammen mit ihrem Freund Helmut leidenschaftlich unternommen hatte, blieb nur noch schöne Erinnerung. Fahrradfahren wurde auch seltener. Schon vor der Währungsreform 1948 hatte ihr Vater ihr ein Herrenfahrrad hergerichtet, das schließlich 1951 von einem schicken Damenfahrrad als Abitur-Geschenk abgelöst wurde. Jetzt brachte sie das Fahrradfahren ihren Kindern bei. Dem Motorradsport hatte sie indes abgeschworen. Ihre Abenteuer auf dem Soziussitz von Helmuts Roller, den er 1953 gebraucht für 150 D-Mark erworben hatte und der wegen defekter Starter zum Preis von 17,50 D-Mark erhebliche Kosten verursachte, reichten für alle Zeit aus. Aber als leidenschaftliche Autofahrerin wäre sie am liebsten im offenen Cabrio durch die Lande gereist, nicht im abgedunkelten Dienstwagen. Wie ihr Vater liebte sie schnittige Sportwagen, schaute im Fernsehen begeistert Autorennen und litt zuweilen unter den Fahrkünsten ihrer Chauffeure. Nur dem Cheffahrer ihres Mannes, Ecki Seeber, vertraute sie blind. Bei ihm im Wagen konnte sie sogar ein »Nickerchen« machen. Wenn sie selbst fuhr, trat sie ordentlich aufs Gaspedal. Sie liebte hohes Tempo, pflegte eine rasante Fahrweise und fand großes Vergnügen daran, die gewaltigen Pferdestärken unter der Motorhaube zu beherrschen.
Neben dem Autofahren galt ihre große Leidenschaft dem Sportschießen. Kaum jemand wusste davon, bis dieses für eine Frau »unpassende« Hobby durch eine in ihren Augen unverzeihliche Indiskretion an die Öffentlichkeit gelangte. Es war der Facharzt für Chirurgie und spätere langjährige Hausarzt der gesamten Kohl-Familie gewesen, der in Hannelore mit 16 Jahren das Interesse am Sportschießen weckte. Dr. Heinz Lösel hatte früher schon die Renners in ärztlichen Belangen betreut und durch Hannelores lang gehegtes Bedürfnis, niemals mehr schutzlos einer Gefahr für Leib und Leben ausgeliefert zu sein, bedurfte es wohl keiner besonderen Überredungskunst, sie für den Schießsport zu begeistern und einen Waffenschein zu erwerben. Später besaß sie auch eine eigene Sportpistole. Noch heute schwärmt der über 92 Jahre alte Mediziner aus Franken von der Begabung seines damals jungen Schützlings. Hannelore gehörte zu den eifrigsten Schülerinnen und zu den Erfolgreichsten ihres Alters. Ihr Interesse galt dabei vor allem der absoluten Konzentration, die das Sportschießen erforderte. Der nötige Einklang von Körperbeherrschung und innerer Ruhe faszinierte sie bis zuletzt. Ihr Mentor Heinz Lösel ist überzeugt, dass dies die wichtigste Motivation für Hannelore Kohl gewesen war, sich im Sportschießen mit so viel Hingabe zu engagieren. Mit dieser Konzentrationsübung habe sie manche anderweitigen Probleme beherrschen können. Lösel war viele Jahre lang Arzt der deutschen Schützen-Nationalmannschaft, dann der europäischen Schützen und am Schluss der Weltorganisation der Sportschützen. Als Arzt des IOC hatte er Mitarbeiter aus der ganzen Welt und bekam viele nationale und internationale Auszeichnungen, darunter das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.
Hannelore gehörte nie einem Schützenverein an. Sie verabredete sich mit ihrem Hausarzt und lernte von ihm auf dem Ludwigshafener Schießplatz die Kunst des Pistolenschießens. Der Hochleistungsschütze Lösel fand Gefallen an seiner Schülerin und übte mit ihr bis zur Perfektion. Dabei ging es nicht um Siege und Preise, sondern schlicht um ihr eigenes Vergnügen, ihre eigene Sicherheit. Auf Auslandsreisen oder im Urlaub nahm sie gerne Angebote wahr, auf fremden Schießständen ihrem Hobby zu frönen. Sie lehrte auch ihre beiden Söhnen das Sportschießen, wobei vor allem Walter großes Interesse zeigte und seine sportlichen Talente unter Beweis stellen konnte.
Heinz Lösel war über dreißig Jahre der Hausarzt der Kohl-Familie. Er kannte Hannelores Gesundheitsprobleme wie kein anderer und wusste um die gesundheitlichen Schwächen und Stärken ihres Mannes. Er wurde zurate gezogen, wenn die beiden Söhne krank waren. Dr. Lösel begleitete mit großem Engagement die Entwicklung der Söhne und gehörte zu denen, die Hannelores pädagogische Anstrengungen unterstützten. Der namhafte Chirurg begleitete den späteren Bundeskanzler und seinen
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