Die Frau an Seiner Seite
genommen und möglichst umgesetzt wurden.
Getreu ihrer Neigung zur Schwarz-Weiß-Malerei beurteilte Hannelore die Mitglieder des Kabinetts Kohl durchaus kritisch. Einen guten Zugang hatte sie beispielsweise zu Innenminister Heinz Schwarz und vor allem zu dessen Frau Margret, die über beachtliche intellektuelle Fähigkeiten verfügte. Zu Hannelores »Lieblingen« zählten auch Johann Wilhelm Gaddum und der bereits genannte Kultusminister Bernhard Vogel, den sie allerdings in der Mainzer Zeit nicht immer ganz ernst nahm. Otto Theissen wiederum, der Justizminister, wurde hoch geschätzt und von Hannelore als Spitzenjurist bewundert. Anders Helmut Kohls Freund und Förderer Waldemar Schreckenberger. Der weit über die Grenzen von Rheinland-Pfalz anerkannte Wissenschaftler und Einser-Jurist fiel bei Hannelore glatt durch. Sie hielt ihn einfach für sonderbar. Im Laufe der Jahre entwickelte Kohls Gattin feine Sensoren für Personalentscheidungen, wovon der spätere Bundeskanzler noch häufig profitieren sollte. In Mainz hatte der jüngste Ministerpräsident der Republik eine Truppe von ministrablen Persönlichkeiten um sich geschart, die bundesweit Aufsehen erregten. Für Hannelore galten die meisten als glückliche Wahl. Der Mainzer Regierungssprecher Hennes Schreiner, den Kohl als Redakteur vom hessischen Rundfunk abgeworben und mit viel Macht und gutem Gehalt ausgestattet hatte, gehörte nicht dazu. Sie mochte ihn nicht, wenngleich sie seine fachlichen Qualitäten anerkannte. Schließlich Willibald Hilf, Chef der Staatskanzlei, intellektueller Kopf und einflussreicher Ratgeber des Mainzer Regierungschefs und Patenonkel des jüngsten Kohl-Sohnes. Ihn mochte Hannelore von Anfang an ganz besonders, weil er sich von der Schar der CDU-Funktionäre abhob, über politisches Geschick und Sensibilität verfügte und einen eigenen Kopf hatte. Jahre später kam es allerdings zu einem totalen Bruch, weil der mit Hilfe Kohls in das Amt des Südwestfunk-Intendanten gelangte einstige Vertraute und Freund einen unverzeihlichen Fehler beging. Am 23. November 1992 strahlte der damalige Südwestfunk in seinem dritten Fernsehprogramm den Fernsehfilm Die Terroristen aus. Darin wurde ein Attentatsversuch auf ein nicht genanntes, aber eindeutig als Kanzler der Bundesrepublik Deutschland zu identifizierendes Opfer beschrieben. Für die Kohls war es ein unverzeihlicher Fehler, dass Originalaufnahmen des Kanzlers in diese fiktive Geschichte montiert worden waren. Die Verantwortung für diese Produktion hatte letztlich der Kohl-Freund Willibald Hilf. Während diese Parabel über den Sieg des Geldes über die Politik Hannelore fürchterlich entsetzte, hielten die Aufsichtsgremien des Südwestfunks nebst Intendant Hilf den Fernsehfilm für ein künstlerisches Werk. Damit zerbrach eine langjährige Freundschaft zwischen Hannelore, ihrem Mann, den Kindern und Peters Patenonkel. Die Kohls waren zutiefst verletzt und schlossen eine Versöhnung für alle Zeit aus.
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In seiner Eigenschaft als Bundesvorsitzender der CDU und rheinland-pfälzischer Ministerpräsident reiste Helmut Kohl mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen dreimal in die DDR. In der ersten Novemberwoche 1974 besuchten die Kohls als normale Touristen die Städte Leipzig, Dresden und Weimar. Mitte August 1975 wurde die dreitägige Privatreise wiederholt. Für Hannelore war es ein ergreifendes Gefühl, nach dreißig Jahren den Klassenraum zu betreten, den sie als Zehnjährige zuletzt gesehen hatte. Die Schule in der heutigen Leipziger Lumumbastraße hatte sich kaum verändert. Wie in einem Film, so erzählte sie später, seien die frühen Leipziger Jahre an ihr vorbeigezogen. Die großbürgerliche Atmosphäre ihres Elternhauses, der Schwimmunterricht mit dem Vater im HASAGeigenen Bad, aber auch die schmerzliche Trennung von ihrer Freundin Rena Georgi, der Tod von Renas Schwester und die fatale Evakuierung. All das war mit einem Mal wieder ganz präsent. Was damals wirklich in ihrem Herzen und ihren Gedanken vor sich ging, erfuhr keiner ihrer Mitreisenden. Gefühle zu unterdrücken hatte sie hinreichend gelernt.
Was sie auf der Reise am meisten erfreute, war die große Herzlichkeit und Offenheit der Menschen, die der Reisegruppe zufällig begegneten. Viele von ihnen kamen spontan auf sie zu, schüttelten ihre Hand und meinten, dass es schön sei, »Sie hier bei uns zu sehen«. Dass die Kohls mit ihrem Fahrer Ecki Seeber unter ständiger Kontrolle der DDR-Staatssicherheit standen,
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