Die Frau an Seiner Seite
Schwiegermutter. Als Cäcilie am 2. April 1979 im Alter von 88 Jahren in den eigenen vier Wänden starb, wusste ihr Sohn, dass es vor allem Hannelore geschuldet war, dass die letzten Wochen und Monate vor dem Tod der Mutter einigermaßen erträglich gestaltet worden waren. Helmut wusste sehr wohl um die Verdienste seiner Frau und war ihr deshalb auch ewig dankbar. Einmal mehr hatte sie sich von ihrer besten Seite gezeigt und mit starker sozialer Kompetenz und medizinischem Sachverstand das langsame Sterben ihrer Schwiegermutter begleitet. Sich kümmern war für Hannelore ein Stück Lebensinhalt. Sich kümmern um den Mann, um die Kinder, um die Schwiegereltern, um Freundinnen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Hatte sie ein Helfersyndrom? Auch wenn man soweit sicher nicht gehen muss, Fakt ist, dass ihr das Zurückstellen eigener Bedürfnisse seit ihrer Jugend in Fleisch und Blut übergegangen war.
Kaum ein Jahr später erkrankte Hannelores Mutter Irene schwer. Im Oggersheimer Bungalow erschien täglich der Hausarzt. Oma »Gogo« musste rund um die Uhr betreut werden. Pflichtbewusst setzte sich auch diesmal wieder Hannelore ein, die eine Einweisung in ein Altenheim kategorisch ablehnte. Bis zur eigenen physischen Erschöpfung pflegte Hannelore ihre Mutter, zu der sie ein Leben lang ein ambivalentes Verhältnis hatte. Zuletzt blieb ein Krankenhausaufenthalt unvermeidlich. Im Alter von 83 Jahren starb Irene Renner am 18. Juli 1980 in einer Ludwigshafener Klinik. Eine Woche später wurde ihre Urne auf dem Friesenheimer Friedhof beigesetzt. Obwohl Irene bis zu ihrem Tod »gottgläubig« und ohne jegliche religiöse Bindung gelebt hatte, konnte Hannelore den evangelischen Krankenhauspfarrer von Ludwigshafen-Oggersheim, Karl Theodor Ellbrück, für die Beerdigung im engsten Familienkreis gewinnen.
Am 12. September 1980 wurde die Urne von Irenes 1952 verstorbenem Mann Wilhelm Renner von Bremen nach Ludwigshafen umgebettet. Das war Hannelores lang gehegter Wunsch, den sie trotz einiger bürokratischer Barrieren nun umsetzte. Fortan besuchte sie häufig das Grab ihrer Eltern, die im Tode wiedervereint waren. Die Grabstätte befindet sich in unmittelbarer Nähe von Helmuts Elterngrab, in dem Hannelore 2001 auch ihre letzte Ruhe fand.
VORLAUF
Das Ehepaar Kohl lebte in verschiedenen Welten. Helmut hatte ohne Wenn und Aber die Oppositionsrolle angenommen. In seinen Doppelämtern waren harte Arbeit und Geduld gefragt. Als Parteivorsitzender und Chef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion musste er auch die Großen der Welt empfangen, die zu Gast in Bonn weilten. Hannelore, die sich in der provisorischen Hauptstadt zu keiner Zeit wohlfühlte, kam nicht umhin, ihren Mann bei wichtigen Empfängen für Staatsgäste zu begleiten. Wann immer es möglich schien, verzichtete sie auf ihre Präsenz, fand gute Gründe, in Ludwigshafen zu bleiben. Sie hatte eine ausgeprägte Fantasie, wenn es um Ausreden ging. Solange sie für ihre Söhne allein verantwortlich war, begründete sie ihre Abstinenz mit der Fürsorge für ihre Kinder – auch wenn es nur vorgeschoben war. Mitte des Jahres 1982 machte Sohn Walter sein Abitur und erwog, ins Kloster zu gehen und sich der katholischen Theologie zuzuwenden. Die religionslose Hannelore machte aus ihrer Missbilligung keinen Hehl, und es gelang ihr schließlich, Walter zu überzeugen. Den zwei Jahre jüngeren Sohn Peter hatte seine Mutter bei der Organisation mehrmonatiger Aufenthalte in Frankreich und England unterstützt, und damit den Grundstein für Höchstleistungen in den beiden Sprachen Französisch und Englisch gelegt. Nicht zuletzt deshalb machte er im Mai 1985 auf dem Mannheimer Gymnasium ein glänzendes Abitur. Stolz berichtete Hannelore ihren Freundinnen vom herausragenden Notendurchschnitt, an dem sie nicht unbeteiligt gewesen war. Peter folgte seinem Bruder Walter und verpflichtete sich ebenfalls als Zeitsoldat bei der Bundeswehr. Mit großer Anteilnahme begleitete Hannelore Ausbildung und Einsatz der jungen Soldaten, lernte Dienstgrade, Dienstzeiten und Technik kennen, amüsierte sich über Vorschriften für Verpflegung und Regeln des Uniformtragens. Sie kannte sich nach insgesamt vierjähriger Dienstzeit ihrer Söhne in Alltag und Anforderungen der Bundeswehr gut aus. Wann immer sie Gelegenheit hatte, mit dem Bonner Verteidigungsminister zu sprechen, glänzte sie mit Insiderwissen, diskutierte über Schwächen und Stärken der Truppe. Ihre Erfahrungen mit Zeitsoldaten in den Achtzigerjahren, die
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