Die Frau an Seiner Seite
so gar nicht nachvollziehen konnte.
Auch unter den Kanzlergattinnen der länger zurückliegenden Vergangenheit fand Hannelore kaum Vorbilder, die ihrer Auffassung von diesem »Amt« nahegekommen wären.
Der erste Bundeskanzler nach Gründung der Bundesrepublik war der Witwer Konrad Adenauer. Seine zweite Frau Auguste war 1948 gestorben. Die Rolle als Frau an seiner Seite nahm bei besonders wichtigen repräsentativen Veranstaltungen Adenauers Tochter Lotte wahr.
Die Gattin seines Nachfolgers Ludwig Erhard, Luise, war besonders an der bildenden Kunst, namentlich an der abstrakten Malerei interessiert. Ungerechterweise wurde sie einmal als »deutsches Hausmütterchen« bezeichnet, was sie ungemein ärgerte. Die damalige Kanzler-Gattin war gesundheitlich stark angeschlagen und spielte in der Öffentlichkeit auch deshalb kaum eine Rolle.
Die Frau des Kanzlers der Großen Koalition Kurt Georg Kiesinger, Marie-Luise Kiesinger, fasste ihre Rolle den Sechzigerjahren entsprechend ganz traditionell auf. Sie galt nicht gerade als auffallende Schönheit und trat höchst selten an der Seite ihres Mannes auf.
Rut Brandt, die Gattin des ersten Kanzlers der sozial-liberalen Koalition Willy Brandt, war die erste in der langen Reihe, bei der Hannelore Ähnlichkeiten sah. Rut hatte sich nie allein nur als Kanzlergattin verstanden. Ähnlich wie Hannelore Kohl gab sie der Erziehung der drei gemeinsamen Kinder besonderen Vorrang und glänzte bei unvermeidlichen Repräsentationsverpflichtungen an der Seite ihres Mannes. Diese starke Frau hatte an der Seite des Regierenden Bürgermeisters von Berlin bereits eine herausragende Rolle gespielt, bewegte sich auf internationalem Parkett als Dame von Format und war für ihren Mann eine große Sympathieträgerin. Hannelore schwärmte oft von Rut Brandt und hielt sie für die erfolgreichste und beste Kanzlergattin der Bonner Republik.
Unter den Frauen der deutschen Bundespräsidenten hatte Hannelore einige Begegnungen mit Wilhelmine Lübke. Von der ehemaligen Studienrätin mit herausragenden Sprachtalenten für Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch und Russisch war die neue Kanzlergattin einst sehr angetan. Überzeugend auch ihr soziales Engagement, das in der jungen Republik Maßstäbe setzte.
Die deutsche Ärztin Mildred Scheel spielte an der Seite ihres Mannes, des Bundespräsidenten Walter Scheel, eine ganze besondere Rolle durch ihr soziales und gemeinnütziges Handeln. Vor ihrer Lebensleistung, der deutschen Krebshilfe, hatte Hannelore ganz großen Respekt. Gleiches gilt für die Frau des Bundespräsidenten Karl Carstens, Veronica Carstens, die Hannelore von allen Bundespräsidenten-Gattinnen am besten kannte und sehr schätzte. Auch deren eigenständige Rolle an der Seite ihres Mannes als Ärztin mit vielfältigen sozialen Aufgaben fand Hannelores Zustimmung.
Mit Marianne von Weizsäcker indes konnte Hannelore wenig anfangen. Obwohl sie die Bankierstochter von allen Bonner Politikerfrauen am längsten kannte, übertrugen sich vielleicht die späteren Vorbehalte, die Helmut Kohl gegenüber Richard von Weizsäcker hatte, auch auf dessen Frau. Während der zehnjährigen Bundespräsidentenzeit und der damit häufigen gemeinsamen Repräsentationspflichten gab es keine nennenswerte Annäherung, geschweige denn eine freundschaftliche Nähe. Dies beruhte auf Gegenseitigkeit. Ebenso wenig wie Marianne von Weizsäcker Sympathien Helmut Kohl entgegenbrachte, konnte sich Hannelore für Richard von Weizsäcker erwärmen.
Noch aus der Mainzer Zeit hatte Hannelore Roman Herzog in bester Erinnerung, der damals im Kabinett Kohl eine nicht unwesentliche Rolle spielte. Hannelore lernte auch Christiane Herzog kennen, eine außerordentlich warmherzige Mutter zweier Söhne. Die gelernte Hauswirtschaftslehrerin aus München gründete 1986 den Förderverein Mukoviszidose-Hilfe und übernahm als Frau des Bundespräsidenten die Schirmherrschaft von mehreren sozialen Hilfsprojekten im In- und Ausland. Hannelore erlebte ein Jahr vor ihrem eigenen Tod mit großer Anteilnahme das langsame Sterben dieser tapferen Frau, die den Kampf gegen ihre schwere Krankheit, Leberkrebs, verloren hatte.
Hannelore hatte so gut wie keine Vorbilder für ihre neue Rolle als Frau an der Seite des Bundeskanzlers. Sie suchte und fand ihren eigenen Weg, der ihr viel Sympathie über Parteigrenzen hinweg einbrachte. Nach anfänglichen Unsicherheiten wirkte sie in den letzten Jahren von Helmut Kohls Kanzlerschaft äußerst
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