Die Frau an Seiner Seite
schlicht überflüssig und unklug.
Während sich ihr Mann in den ersten Tagen nach der Wahl um Handlungsfähigkeit bemühte, ohne in Aktionismus zu verfallen, stimmte sich Hannelore auf die neuen Herausforderungen ein. Mit ihrer ganzen Kraft wollte sie sich für die Absicherung der Macht ihres Mannes einsetzen. Nachdem das komplizierte Verfahren zur Auflösung des Deutschen Bundestages überstanden war, begann ein knapp dreimonatiger Winterwahlkampf, der ihr enorme Ausdauer abverlangte. Aber noch nie war Hannelore derart motiviert, für die Partei und damit für ihren Mann zu werben, um Zustimmung zu kämpfen. Sie war wild entschlossen, ihre Rolle im Rampenlicht der Öffentlichkeit zu nutzen, um die parlamentarische Mehrheit zu sichern. Sie leistete Schwerstarbeit und wurde nicht nur von den Unionsanhängern bei ihren Auftritten stürmisch gefeiert. Über Parteigrenzen hinweg zollte man Respekt für ihren Einsatz. Als ob sie selbst zur Wahl stehen würde, zog sie mit ihrem Mann im bitterkalten Winter von Wahlveranstaltung zu Wahlveranstaltung. Der einzige Vorteil des Winterwahlkampfs war, dass sich alles in riesigen Hallen und größeren Versammlungsräumen abspielte. Gesundheitlich robust wie selten zuvor, leistete sie für die Unionsparteien einen außergewöhnlichen Wahlkampfbeitrag, der vielleicht größer war als der mancher Prominenter aus dem Parteiestablishment. Sie spürte ihre positive Wirkung auf die Menschen und genoss den Zuspruch. Helmut Kohl, der seit der Wahl zum Bundeskanzler an Selbstvertrauen gewonnen hatte, verzichtete nur noch ungern auf seine Frau. Wenngleich Hannelores Anteil an dem unverhofft hohen Wahlsieg der Regierungskoalition nicht in Stimmanteilen messbar ist, so darf ihre Position als sympathische und schlagfertige Kanzlergattin nicht unterschätzt werden. Weder Loki Schmidt noch Rut Brandt hatten sich in Wahlkämpfen derart engagiert wie Hannelore Kohl. Das war neu, fiel auf – und wurde sogar von der Presse durchweg positiv kommentiert. Selbst Kohls heftigste Kritiker kamen nicht umhin, das Engagement der Kanzlergattin zumindest wahrzunehmen. Innerhalb der Unionsparteien schlugen ihr ohnehin die Sympathien entgegen. Hannelore freute sich über den Zuspruch, bewertete ihn aber auch nicht über. Selbstkritisch, wie sie war, wusste sie, dass sie weiter daran arbeiten musste, Unsicherheiten zu überwinden, eigene Ängste abzubauen und mehr Selbstbewusstsein zu zeigen.
Der Abend des 6. März 1983 brachte ein sensationelles Wahlergebnis: Ganz knapp verfehlten die Unionsparteien die absolute Mehrheit und konnten mit einem Wahlergebnis von 48,8 Prozent an die großen Erfolge der Adenauer-Ära anknüpfen. Die FDP erreichte mit sieben Prozent ein beachtliches Ergebnis. Die Regierungskoalition Kohl/Genscher wurde eindrucksvoll bestätigt. Die Sozialdemokraten mit ihrem Spitzenkandidaten Hans-Jochen Vogel fielen unter die 40-Prozent-Marke. Erstmals übersprangen die Grünen mit 5,6 Prozent die Fünf-Prozent-Hürde und schafften den Einzug ins Bonner Parlament.
Bei der Siegesfeier im Kanzlerbungalow mit den engsten Mitarbeitern zeigte sich Hannelore in bester Feierlaune. Sie freute sich nicht nur über den hohen Wahlsieg und die Bestätigung ihres Mannes an der Spitze der Bundesregierung. Sondern auch darüber, dass ihre Existenzängste – zumindest für die nächsten vier Jahre – nicht weiter genährt wurden. Niemals mehr auf den guten Willen anderer bauen zu müssen, abhängig zu sein: Das waren die prägenden Gefühle seit den entbehrungsreichen Mutterstädter Jahren, die sie immer wieder heimsuchten.
Über solche Gedanken sprach sie mit niemandem. Mit wem auch? Für ihre Freundinnen, für die Nachbarn und vor allem für die Partei stand Hannelore im Rampenlicht und zählte mittlerweile zur Spitze der Bonner Politprominenz. In der Außensicht gibt es in einer solchen Position keine finanziellen Sorgen oder Nöte. Die Fernsehbilder zeigten Hannelore bei Staatsbesuchen in Bonn, bei Reisen in die weite Welt, bei Empfängen auf dem internationalen Parkett. Sie wäre wohl mit Unverständnis und Spott bedacht worden, hätte sie ihre Ängste mitgeteilt. Ängste, die vielen Kriegskindern geläufig sein dürften.
Was die strahlenden Fernsehbilder nicht einfingen, war die Anstrengung, die mit solchen Reisen verbunden war. Es bedurfte intensiver Vorbereitung, nicht nur eine gute Figur zu machen oder für ein wenig Glamour zu sorgen, sondern auch jederzeit voll konzentriert und auf der Höhe des
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