Die Frau an Seiner Seite
Gesprächs zu sein. Die permanente Beobachtung durch Kamera und Mikrofon, ständig bereit, einen falschen Schritt, eine unpassende Bemerkung zu dokumentieren, verlangte Hannelore alles ab.
Ihre erste Auslandsreise als Kanzlergattin führte Hannelore Ende Mai 1983 ins amerikanische Williamsburg. Beim Treffen der sieben Staats- und Regierungschefs (G-7-Gipfel) nebst ihren Ehefrauen war Hannelore die Jüngste und vor allem der Neuling auf diesem besonderen Parkett. Auch unter den Ehefrauen der Politiker gab es eine Art Rangfolge, die sich an den Amtsjahren des Ehemannes orientierte. Diesmal war es Nancy Reagan, die das Damenprogramm anführte und für das Wohlbefinden der Gäste sorgte. Trotz des großen Altersunterschieds fand Hannelore gleich einen direkten Draht zur Frau des mächtigsten Mannes der westlichen Welt. Hierbei halfen ihr auch die exzellenten Sprachkenntnisse, ihr perfektes Englisch, das sie gerne sprach. Wie Helmut Kohl in seinen Memoiren schreibt, scheute sich Hannelore nicht, Nancy unbefangen um Rat zu fragen, wenn sie ihn brauchte. Als Beispiel seien nur Fragen zum großen Protokoll bei internationalen Veranstaltungen genannt, die oftmals den Wünschen und Bedürfnissen der Politikerfrauen nicht gerecht wurden. Auch im Umgang mit der amerikanischen Presse hörte sie gerne auf ihren Rat.
Ob mit Reagans oder den Mitterrands – Hannelore erwies sich als Kommunikatorin mit Humor und Fingerspitzengefühl. Ihr Mann nannte sie eine »Spitzenkraft« bei Auslandsreisen. Von Kohls erster Gipfelteilnahme lieferten die Radio- und Fernsehkorrespondenten ohne Ausnahme positive Beiträge. Über Hannelores zurückhaltenden, aber jugendlich-frischen Auftritt in Amerika berichtete nicht nur die Boulevardpresse voll des Lobes. Die seriösen Medien vermeldeten Gleiches.
Hannelore war durch und durch Perfektionistin, auch, wenn es um die Vorbereitung von Auslandsreisen ging. Vom Auswärtigen Amt bekam sie die nötigen Unterlagen über Land und Leute, über Geschichte, Finanz-, Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik des Gastlandes. Oftmals hielt sie diese Informationen für unzureichend und bemühte sich im direkten Gespräch mit den Verantwortlichen um zusätzliche Materialien. Vor allem legte sie Wert auf biografische Daten ihrer Gesprächspartner, wollte Persönliches erfahren und Hintergrundinformationen erhalten über jene Menschen, denen sie im Laufe der Reisen begegnen würde.
Das galt auch für die erste Reise des Bundeskanzlers in den Nahen Osten Anfang Oktober 1983. Mit Jordanien, Ägypten und Saudi-Arabien bereiste das Ehepaar Kohl drei arabische Länder mit hoher politischer Bedeutung. Vor allem das jordanische Königspaar, Königin Nur und König Hussein, hatten es Hannelore angetan. Die Bilder zeigten die Gastgeber in prachtvoller königlicher Garderobe und Hannelore in einem ausgefallenen Abendkleid. Als dudelsackpfeifende Ehrengardisten in Beduinen-Uniformen auf dem Flughafen Amman antraten und beim Abschreiten der Ehrenformation Walzerklänge zu hören waren, amüsierte sich die Kanzlergattin derart, dass sie darüber noch Jahre später gerne berichtete. Ob bei der Besichtigung der Pyramiden außerhalb von Kairo oder beim Besuch in der Altstadt halb verschleiert: Hannelore zeigte sich wissbegierig, stellte sachkundige Fragen und interessierte sich für Menschen und ihre Geschichte. Wo immer sie in Erscheinung trat, hinterließ sie einen freundlichen Eindruck. Dabei sah sie ihre Rolle nicht darin, als »nettes« Anhängsel ihres Mannes durch die Welt zu reisen, schöne Kleider zu tragen und Werbung für die Bundesrepublik zu machen. Es wurde bereits in den ersten Kanzlermonaten deutlich, wie sehr sie sich um Eigenständigkeit bemühte. Schon bald hatte sie ihre eigene Rolle gefunden und in der Öffentlichkeit an Profil gewonnen.
Protokollarische Zwänge nahm sie gelassen hin und kam inzwischen auch mit physischen Strapazen gut zurecht. In all den Jahren als Kanzlergattin missachtete sie nie die Regeln des Protokolls, nahm Ratschläge gerne entgegen und war, wie kaum eine andere Kanzlergattin, pünktlich zur Stelle, wenn es von ihr erwartet wurde. Noch heute schwärmen Protokollchefs von Hannelores Disziplin und preußischer Pflichtauffassung, wenn es um die Einhaltung von Absprachen ging. Sicherheitsvorkehrungen nahm sie außerordentlich ernst, während sie mit manch ungewohntem Brauchtum in fernen Ländern gelassen umging. Was ihr allerdings Probleme bereitete, war die Zeitumstellung, die manche
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