Die Frau an Seiner Seite
begeisterten und hoffnungsvollen Menschen geschaut.
Drei Tage nach diesem mit großem Geschick und Einfühlungsvermögen absolvierten Dresdner Auftritt erlebte Deutschland die Öffnung des Brandenburger Tores, wie es der Kanzler mit dem DDR-Ministerpräsidenten Hans Modrow verabredet hatte. Zusammen mit den Bürgermeistern von Ost- und West-Berlin durchschritten Modrow und Kohl das Brandenburger Tor von West nach Ost. Die Begeisterung kannte keine Grenzen, und die Personenschützer hatten alle Mühe, die Spitzenpolitiker davor zu bewahren, erdrückt zu werden. Hannelore verfolgte die Live-Übertragung im Fernsehen und konnte sich der Tränen nicht erwehren. Tage später feierten hunderttausende Menschen Silvester am Brandenburger Tor und lieferten Fernsehbilder zum Jahreswechsel in Deutschland, wie es sie noch nie gegeben hatte. Selten zuvor hatte das Ehepaar Kohl so viel Zeit vor dem Fernseher gesessen wie in der Silvesternacht 1989/90. Hannelore und Helmut lagen sich weinend in den Armen, als die Glocken das neue Jahr einläuteten. So nahe waren sich die beiden schon lange nicht mehr gewesen. Hannelore hatte das Gefühl, als ob auch für sie ganz persönlich eine neue Zeitrechnung beginnen würde.
GLÜCKSMOMENTE
Die gute Stimmung hielt auch im neuen Jahr an. Hannelore weitete nach den politischen Umwälzungen in Osteuropa und der rasanten Entwicklung der deutsch-deutschen Beziehungen ihr Engagement an der Seite ihres Mannes erheblich aus. Neben ihrem unermüdlichen Einsatz als Präsidentin des ZNS-Kuratoriums galt ihr besonderes Interesse den politischen Aktivitäten ihres Mannes bei der Anbahnung der deutschen Einheit. Wo immer sich Helmut Kohl auf nationalem oder internationalem Parkett bewegte, zumindest telefonisch war die Kanzlergattin immer dabei. Der Kanzler hatte sich in den letzten Monaten angewöhnt, nach wichtigen Gesprächen den Kontakt zu seiner Frau zu suchen, ihr detailliert über die Inhalte zu berichten und sie nach ihrer persönlichen Einschätzung zu fragen. In dieser Zeit gab es kaum jemanden, der so umfassend über die einzelnen Schritte zur deutschen Einheit, über Helmut Kohls Ringen mit den Mächtigen in Ost und West informiert war, wie sie. Im Gegensatz zu früher wurde sie nun unmittelbar eingebunden in Höhen und Tiefen des politischen Geschäfts. Sie hörte aufmerksam zu und gab spontan Kommentare ab, die dem gesunden Menschenverstand entsprangen und mit einer guten Portion Pragmatismus für Bodenhaftung sorgten. Hannelores Einschätzungen waren dem Kanzler wichtig, gerade weil sie nicht aus dem Mund eines professionellen politischen Analysten kamen, sondern geprägt waren von einer an der Lebenswirklichkeit orientierten Sichtweise. Hannelore erlebte in dieser Phase des engen Miteinanders Glücksmomente, wie sie sie zuvor kaum erlebt hatte.
In den ersten Wochen des Jahres hielten Begegnungen mit François Mitterrand und Michail Gorbatschow den deutschen Kanzler in Atem. Ende Februar 1990 folgte dann das historisch wichtige Treffen mit dem amerikanischen Präsidenten auf dessen Landsitz in Camp David. Diesmal hatte Hannelore darauf gedrängt, mitzukommen. Sie wusste um die Bedeutung des Treffens und freute sich außerdem auf ein Wiedersehen mit Barbara Bush. Während die Herren über schwierige politische Fragen verhandelten und sich über das weitere Vorgehen verständigten, kreisten die Themen der beiden Frauen um Familie und Erziehung. Die lebenserfahrene Barbara Bush kannte sich in der europäischen Kultur aus, empfand für die Deutschen große Sympathien und sorgte für eine wunderbar entspannte Atmosphäre. So wie Hannelore die Seele ihrer Familie war, galt Barbara Bush als unentbehrliches Herzstück des Bush-Clans. Hannelore schwärmte noch Jahre später von dieser warmherzigen Frau, die sich auch durch ihren bemerkenswerten Humor auszeichnete. Nach langen Spaziergängen der Ehepaare, bei denen Hannelore und Barbara unzertrennlich schienen, folgte ein überaus herzlicher Abschied. Helmut Kohl hatte die Marschroute für die nächsten Schritte zur deutschen Einheit mit den Amerikanern fest verabredet und Hannelore ihre ungewöhnliche Freundschaft mit Barbara Bush gefestigt. Für Helmut waren die beiden ein Herz und eine Seele.
Unmittelbar nach der Rückkehr aus Amerika stürzte sich der CDU-Bundesvorsitzende und Kanzler in den Wahlkampf zu den ersten freien Wahlen in der DDR. Auf sechs Großkundgebungen wurde das Kanzlerpaar herzlich empfangen und frenetisch gefeiert. Bei der
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