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Die Frau an Seiner Seite

Die Frau an Seiner Seite

Titel: Die Frau an Seiner Seite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heribert Schwan
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KPdSU-Generalsekretär Michail Gorbatschow. Hannelore wusste um die Besonderheit der deutsch-amerikanischen Beziehungen und unterstützte das Bemühen ihres Mannes, mit dem neuen Chef des Weißen Hauses eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zu erreichen. Dass Bush seine wichtige Rede ausgerechnet in Mainz hielt und dabei für Deutschland und Amerika eine »Partnerschaft in der Führung« forderte, freute die Kanzlergattin ebenfalls. Die Bilder von der Rheintour der beiden Ehepaare zeigen eine völlig entspannte Hannelore in ständigem Gespräch mit Barbara Bush, zu der sich im Laufe der Jahre eine enge Freundschaft entwickelte. Zu keiner anderen Frau eines Staatsmannes hatte Hannelore ein so inniges Verhältnis wie zu Barbara Bush, die sie nicht nur wegen ihrer Herzlichkeit mochte. Die acht Jahre ältere Präsidentengattin mit ihrer Lebenserfahrung, Lebensweisheit und ihrer unverkrampften Empathie schätzte Hannelore sehr. Sie bewunderte ihre Gelassenheit und Unaufgeregtheit und sah in ihr das Idealbild einer Politikergattin.
    Das Verhältnis zu Raissa Gorbatschowa indes, die nur ein Jahr jünger als Hannelore war, das teilte sie mir mit, stand für Hannelore immer unter dem Eindruck der schrecklichen Ereignisse der Vergangenheit. Daran änderte auch der offizielle Gegenbesuch der Gorbatschows Mitte Juni 1989 nichts. Raissa hatte nach ihrem Studium der marxistisch-leninistischen Philosophie als Lehrerin gearbeitet und nach der Geburt ihrer Tochter Irina mit einer Arbeit über Lebensbedingungen auf Kollektivfarmen promoviert. Raissas praxisnahe Dissertation prangerte vor allem überkommene Vorstellungen über die soziale Rolle der Frau in der Provinz an. Die sozial und kulturell engagierte Raissa, die unter anderem die Schirmherrschaft für eine internationale Kinderhilfsorganisation innehatte, hätte eine interessante Gesprächspartnerin sein können. Aber Hannelore konnte nicht über ihren Schatten springen. Sie wahrte Haltung, war freundlich und charmant und bewegte sich immer im Rahmen des Protokolls – zu übertrieben persönlicher Nähe sah sie auch beim Abendessen im kleinen Kreis im Kanzlerbungalow keinen Anlass. Wenngleich sie dort maßgeblich für eine entspannte Atmosphäre sorgte, von der auch die hochpolitischen Gespräche der Ehemänner profitierten.
    Beim Rundgang auf dem Bonner Rathausplatz ereigneten sich unvergessliche Szenen. Gorbatschow schlugen Wogen von Sympathie- und Freundschaftsbekundungen entgegen, die sich in eine wahre »Gorbimanie« steigerten. Das spätere Vier-Augen-Gespräch Helmut Kohls mit dem sowjetischen Gast im Park des Bundeskanzleramtes mit Blick auf den Rhein wurde zum Schlüsselerlebnis für beide Männer.
    Das Damenprogramm führte Hannelore und Raissa unterdessen auch auf den größten russischen Soldatenfriedhof der Bundesrepublik im westfälischen Stukenbrock. Ein außergewöhnlicher Programmpunkt, der Hannelore alles abverlangte. Sie bewahrte Haltung, ließ sich nicht anmerken, was sich in ihrem Inneren abspielte. Dass sie ausgerechnet diesem Vorschlag des Protokolls folgen musste, belastete sie sehr. Doch eine Änderung des Damenprogramms wäre nur schwerlich möglich gewesen und hätte nur zu Irritationen geführt. Niemand konnte ahnen, welche Erinnerungen bei der Kanzlergattin hochkommen würden. Allenfalls ihr Mann hätte ahnen können, dass der Besuch eines sowjetischen Soldatenfriedhofs für seine Frau unzumutbar war. Dem Bundeskanzler fehlte vielleicht die Sensibilität oder auch das Interesse. Der Besuch auf dem Friedhof ließ das alte Trauma wieder aufleben, die Erinnerung an Ohnmacht und Ausgeliefertsein, an den Beginn seelischer Verletzungen großen Ausmaßes. Die Kraft, die Hannelore aufbringen musste, um weiter zu funktionieren und das Restprogramm abzuspulen, war enorm. Entgegen allen Bekundungen des Memoirenschreibers Helmut Kohl war gerade der Besuch des Ehepaars Gorbatschow in Bonn 1989 eine schwere Belastung für Hannelore. Sie durfte sich – wie immer – nichts anmerken lassen, musste wegstecken, verdrängen und dafür äußerste Disziplin aufwenden.
UMBRÜCHE
    Während des Sommerurlaubs im österreichischen Sankt Gilgen lief das übliche Programm ab. Ständige Telefonate mit dem Bonner Kanzleramt, politische Gespräche mit angereisten Gästen, Interviews mit Journalisten von ARD und ZDF, Fototermine, bei denen die heile Welt der Vorzeigefamilie Kohl dokumentiert werden sollte. Haltung bewahren, lautete die Devise, das Lächeln aufsetzen, damit

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