Die Frau an Seiner Seite
anstrengenden Auseinandersetzungen zwischen den Eheleuten. Aber im Grunde blieb alles beim Alten: Hannelore stellte sich weiterhin komplett in den Dienst ihres Mannes.
Einen guten Teil ihres Selbstverständnisses zog sie aus ihrem nicht nachlassenden Engagement als Präsidentin des Kuratoriums ZNS. Die längst schon traditionellen Benefizkonzerte mit Sandra Schwarzhaupt in Köln oder »Up with People« in Bonn, die dortige Opern-Gala und die Goldberg-Gala in Berlin gingen weiter. Der Berliner Juwelier David Goldberg veranstaltete für das Kuratorium ZNS seit 1987 bis Ende der Neunzigerjahre an verschiedenen Orten Berlins Bälle, deren Einnahmen dem Kuratorium zuflossen. Dieser Mäzen sorgte nicht nur für ein gesellschaftliches Ereignis, sondern gehörte zu den eifrigsten Spendern und Spendeneintreibern. Im Mannheimer Rosengarten fand der alljährliche »Ball der Sterne« mit vielen Stars und viel politischer Prominenz statt. Auf dieser Veranstaltung präsentierte sich eine schlagfertige, witzige und unterhaltsame ZNS-Präsidentin. Ohne den Hauch von Lampenfieber war sie ganz in ihrem Element und warb mit neuen Ideen und Überzeugungskraft Spenden ein. Auftritte wie diese waren Highlights in ihrem Leben, Höhen in einem oft grauen Alltag.
Mit tiefer Zufriedenheit reagierte sie auch auf die Entscheidung des Deutschen Bundestages vom 20. Juli 1991, der mit 338 gegen 320 Stimmen für Berlin als künftigen Sitz von Regierung und Bundestag votiert hatte. Bis zuletzt hatte sich das Ehepaar Kohl mit Äußerungen zu dieser wichtigen Entscheidung zurückgehalten. Dass der Kanzler schließlich mit Herz, Verstand und großer Leidenschaft für den Berlin-Beschluss votierte, entsprach ganz und gar der Überzeugung seiner Frau. Niemals hätte Hannelore ihrem Mann verziehen, wenn er wie Norbert Blüm, Johannes Rau und viele andere prominente West-Politiker für Bonn als Regierungssitz plädiert hätte.
* * *
Bei aller Distanz zur Sowjetunion und auch zum Ehepaar Gorbatschow berührte der Abschiedsbrief des zurückgetretenen Präsidenten im Dezember 1991 Hannelore sehr. Die Kanzlergattin wusste von ihrem Mann, dass Raissa sich am Ende der Ära Gorbatschow notwendigen Änderungen in der kommunistischen Partei verschlossen hatte. Raissa Gorbatschowa war dann für ihren Mann in dieser schwierigen Zeit eine miserable Ratgeberin. Gleichwohl wusste die Kanzlergattin die Verdienste Gorbatschows um die deutsche Einheit zu würdigen. Er hatte die Dankbarkeit aller Deutschen verdient. Der Abschiedsbrief, der zu ihrer Überraschung auch an sie gerichtet war, rührte sie zu Tränen. In den Memoiren von Helmut Kohl wird dieser Brief so zitiert: »Ich trete als Präsident der UdSSR zurück. … In diesem für mich nicht einfachen Moment denke ich daran, was wir gemeinsam mit Dir geleistet haben. Die Vereinigung Deutschlands – das ist ein großes Ereignis der Weltgeschichte und der neuen Weltpolitik. Und dass wir mehr als andere dazu beigetragen haben, bleibt, so hoffe ich, im Gedächtnis der Völker. Ich möchte, dass die deutsch-sowjetischen Beziehungen sich auf dem Fundament des großen Vertrages gut entwickeln. Raissa und ich wünschen Dir und Hannelore, Deiner ganzen Familie, Gesundheit, Wohlergehen und Glück. Dein Michail.«
Neben dem Abschied dieses wichtigen Mannes und späten Freundes brachten die folgenden Monate eine weiter Zäsur. Hannelore horchte auf, als Bundesaußenminister und Vizekanzler Hans-Dietrich Genscher um seine Entlassung aus dem Bundeskabinett bat. Der Duzfreund ihres Mannes hatte in ihren Augen den richtigen Zeitpunkt für seinen Abgang gewählt, und Hannelore hoffte, ihr Mann würde es ihm über kurz oder lang gleichtun. Das Gegenteil war der Fall. Am Wochenende musste sie zur Kenntnis nehmen, dass ihr Mann über Genschers Schritt alles andere als glücklich war und im Hinblick auf die Bundestagswahl 1994 sein Unverständnis äußerte. Damit war für sie klar, ohne dass er es ausdrücklich erwähnte, dass ihr Mann nicht im Traum daran dachte, auf eine erneute Wiederwahl zu verzichten. In diesem Augenblick zerplatzte die Illusion von einem Leben ohne Politik.
* * *
Im Februar 1993 war es zu einer dramatischen Wende im Leben der Hannelore Kohl gekommen. Nach ersten Anzeichen einer beginnenden Erkältung ließ sie sich ein Medikament verschreiben, das zu einer Penicillingruppe gehörte. Nichts ahnend, so die Version der Familie in der Peter Kohl-Biografie, schluckte sie die Tabletten, obwohl bekannt war, dass
Weitere Kostenlose Bücher