Die Frau an Seiner Seite
die Kameraleute und Fotografen die gewünschten Bilder erhielten. Dabei wäre Hannelore am liebsten weggelaufen, hätte gerne alles hinter sich gelassen und sich lieber an den Sonnenstränden der Welt vergnügt. Das Einzige, was ihr wirklich Abwechslung brachte, waren Treffen mit einer befreundeten Heimatdichterin und gemeinsame Shopping-Touren mit ihr in Salzburg. Ausspannen, erholen, auftanken, Kräfte sammeln: Davon hatte sie eigentlich andere Vorstellungen. Doch es half nichts. Drei Wochen lang wurde ein Programm abgespult, dem Hannelore nichts, aber auch gar nichts abgewinnen konnte. Doch niemals wäre sie auf die Idee gekommen, dagegen zu opponieren, sich den Vorstellungen ihres Mannes entgegenzustellen.
In die Langeweile der Sommerferien des Jahres 1989 platzten die Fernsehbilder von geflohenen DDR-Bürgern, die zu Tausenden in die Botschaften der Bundesrepublik in Ungarn und Tschechien strömten. Diese Bilder schreckten auch Hannelore auf. Die bange Frage war, wie sich Moskau bei all diesen Umwälzungen verhalten würde. Eine Frage, die nicht nur die Menschen auf privater Ebene beschäftigte, sondern auf höchster politischer Ebene die Staats- und Regierungschefs in Europa und weltweit. Unvergessen die Bilder aus dem Kalten Krieg, als Moskau mit Panzern auf Aufstände in Ostberlin und später in Prag reagiert hatte.
In dieser angespannten Situation erlebte Hannelore ihren Mann von einer ganz neuen Seite. Über parteiinterne Querelen, über politische Auseinandersetzungen, denen ihr Mann beinahe tagtäglich ausgesetzt war, sprachen die Eheleute Kohl so gut wie nie. Hannelore informierte sich umfassend durch Zeitung, Rundfunk und Fernsehen. Im Herbst 1989 trat insofern eine Änderung ein, als der Kanzler seiner Frau Einblicke in sein Seelenleben gewährte, wie selten zuvor. Es war nur noch wenig von seiner bekannten Gelassenheit zu spüren. Neben den dramatischen Umwälzungen in der DDR musste er sich innenpolitisch mit Gerüchten über einen Putschversuch auseinandersetzen. Er ließ Hannelore wissen, wie sehr ihn die Absicht einiger Parteifreunde bewegte und kränkte, ihn auf dem Bremer Parteitag Anfang September zu stürzen. Hinzu kam eine Prostata-Erkrankung, die Helmuts politisches Agieren stark beeinträchtigte. Ärzte rieten zur sofortigen Operation, die angesichts des unmittelbar bevorstehenden Parteitages aus der Sicht des Patienten völlig ausgeschlossen war. Einem Ärzteteam gelang es, den Kanzler medizinisch soweit zu versorgen, dass die Operation auf einen Tag nach dem Parteitag verschoben werden konnte. Hannelore machte sich große Sorgen und fand diese Lösung alles andere als dem Krankheitsbild angemessen. Doch auch hier setzte sich der allmächtige Gatte durch und wischte Hannelores Bedenken vom Tisch. Wie in Kohls Memoiren in allen Facetten nachzulesen ist, überstand er mit Hilfe seines Leibarztes den Bremer Parteitag. Für den CDU-Vorsitzenden noch wichtiger war das Scheitern der Putschisten. Der Aufstand der Kohl-Kritiker ging ins Leere. Die Feigheit der Akteure und die Treue seiner Anhänger, der Kohlianer, verhalfen dem alten und neuen Parteichef zu einem triumphalen Wahlergebnis und einem Sieg über seine Gegenspieler. Dass der Kanzler und Parteichef am Vorabend des Parteitages die Grenzöffnung durch Ungarn verkünden konnte, war ein Geschenk des Himmels und für den Amtsinhaber ein einziger Triumph. Hannelore, die in dieser schwierigen innerparteilichen Gemengelage ihrem Mann ganz nahe stand, genoss den Erfolg in Bremen. Die Bilder vom Parteitag zeigen eine Hannelore Kohl, die geradezu enthusiastisch den innerparteilichen Sieg ihres Mannes über die Späths, Süssmuths, Geißlers, Biedenkopfs und viele andere »Parteifreunde« feierte. Ihre Genugtuung bemerkten nicht nur die engsten Mitarbeiter. Hannelore zeigte nach außen demonstrative Zufriedenheit, die man bei der sonst so kontrollierten Kanzlergattin höchst selten erlebte.
Nach dem Bremer Parteitag überschlugen sich die Ereignisse in Deutschland. Die Fluchtwelle der DDR-Bürger schwoll von Woche zu Woche an, die Bilder aus den deutschen Botschaften in Warschau, Prag und Budapest gingen um die Welt. Hannelore war zutiefst beeindruckt vom Mut der DDR-Bürger, von ihrem unstillbaren Willen, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.
* * *
Als die Berliner Mauer am Abend des 9. November 1989 fiel, hielt sich Hannelore ganz alleine zu Hause in Ludwigshafen auf. Eine Freundin hatte sie angerufen und aufgeregt gebeten, den
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