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Die Frau aus Alexandria

Die Frau aus Alexandria

Titel: Die Frau aus Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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wie von der Herausforderung verletzt, mit der sie gesprochen hatte. »Wie hätte ich das verhindern sollen? Jeder muss seinen eigenen Weg zum Heil finden, Mrs Pitt. Schon vor Jahren habe ich Garrick gesagt, was er tun sollte, doch es ist mir nicht gelungen, Einfluss auf sein Verhalten zu nehmen.«
    Sie wollte schon richtigstellen, dass sie an Martin Garvie gedacht hatte, dann aber begriff sie, was er meinte. »Soll das heißen, dass Stephen Garrick an seinem Wahnsinn selbst schuld ist?«, fragte sie fassungslos.
    »Nein ...« Er sah beiseite. Ihr war klar, dass er log.
    »Mr Sandeman!« Sie wusste nicht, was sie hätte sagen können, um ihm zu helfen.
    Er hob den Kopf und sah sie an. »Mrs Pitt, ich habe Ihnen mehr gesagt, als ich wollte, damit Sie Martin Garvie helfen können, sofern
es dazu eine Möglichkeit gibt. Er ist ein guter Mensch und bemüht sich, jemandem beizustehen, dessen Qualen weitaus schlimmer sind, als er je verstehen kann. Es ist nicht auszuschließen, dass er selbst entsetzlich dafür leiden muss.« In seiner Stimme lag ein Flehen. »Sofern Sie bewirken können, dass ihn jemand da herausholt, bevor es zu spät ist ... vorausgesetzt ... vorausgesetzt, er befindet sich dort ...«
    »Ich werde dafür sorgen!«, sagte sie mit mehr Leidenschaft als Überzeugung. »Immerhin weiß ich jetzt etwas, sodass ich irgendwo ansetzen kann. Danke, Mr Sandeman.« Sie zögerte. »Über ... über Mr Lovats Tod wissen Sie wohl nichts?«
    Ein schwaches Lächeln legte sich auf seine Züge. »Nein. Wenn mich jemand aufforderte, eine Vermutung zu äußern, würde ich sagen, dass es sich genauso verhält, wie es aussieht – die Ägypterin hat ihn aus Gründen getötet, die nur ihr bekannt sind. Möglicherweise hat das mit einem Vorfall zu tun, zu dem es in Alexandria gekommen ist. Zwar hatte ich damals angenommen, dass er ihr keine Kränkung zugefügt hatte, aber ich kann mich natürlich irren.«
    »Ich verstehe, vielen Dank.«
    Diesmal bot er ihr nicht an, sie zur Dudley Street zu begleiten, und so ging sie allein, entschlossen, ihrem Mann so bald wie möglich mitzuteilen, wo sich Martin Garvie befand, damit er alles unternahm, was in seinen Kräften stand, um dem jungen Mann seine Freiheit zu verschaffen.
     
    Den ganzen Nachmittag hindurch fing sie im Haushalt alles Mögliche an und ließ es halb fertig liegen. Immer, wenn sie Schritte hörte, unterbrach sie ihre Arbeit in der Hoffnung, Pitt sei zurückgekehrt. Sie brannte darauf, ihm zu sagen, was sie herausbekommen hatte.
    Als er endlich kam, ging er wie gewohnt auf Strümpfen durch die Diele in die Küche, sodass sie ihn erst hörte, als er sie ansprach. Das kam so unerwartet, dass ihr die Kartoffel, die sie gerade schälte, aus den Händen fiel, während sie, das Messer in der Hand, zu ihm herumfuhr.
    »Ich weiß, was mit Martin Garvie ist und mit Stephen Garrick«, stieß sie atemlos hervor. »Jedenfalls glaube ich, dass ich es weiß. Wir müssen etwas tun! Sofort!«
    Sein Gesicht verfinsterte sich. »Woher weißt du das? Wo warst du? Etwa wieder bei Sandeman?«
    Sie reckte das Kinn ein wenig vor. Sofern es darüber zu einer Auseinandersetzung oder Schlimmerem kommen sollte, musste das warten. »Natürlich. Er ist der Einzige, der etwas über die Sache weiß.«
    »Charlotte ...«, begann er.
    »Sie sind in Bedlam!«, brach es aus ihr heraus.
    Das hatte den beabsichtigten Erfolg. Seine Augen weiteten sich, und die Farbe wich aus seinem Gesicht. »Bist du sicher?«, fragte er leise.
    »Nein«, gab sie zu. »Aber es passt zu allem, was wir wissen. Stephen Garrick hatte unbeherrschbare Tobsuchtsanfälle und Weinkrämpfe. Er hat unter entsetzlichen Alpträumen gelitten, weit schlimmer als die anderer Menschen. Sie haben ihn sogar gepeinigt, wenn er wach war, haben ihm Blut, Feuer und Schreie vorgegaukelt.« Ihre Worte überschlugen sich förmlich. »Er hat getrunken und Opium genommen, um zu vergessen, was ihn quälte. All das wusste Martin Garvie, weil er der einzige Mensch war, der wirklich an ihn herankam. Sogar ihm ist die Situation allmählich über den Kopf gewachsen, und so hat er Sandeman aufgesucht, um sich bei ihm Rat zu holen. Doch auch er konnte nichts tun. Einige Tage darauf ist Stephen Garrick mit Martin am frühen Morgen mit wenig Gepäck vom Torrington Square aufgebrochen. Soweit wir feststellen konnten, haben sie London nicht verlassen. Da die Kutsche nach wenigen Stunden zurückgekehrt ist, hatten sie entweder keinen weiten Weg oder sind mit

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