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Die Frau aus Alexandria

Die Frau aus Alexandria

Titel: Die Frau aus Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Offensichtlich war es Charlotte ernst mit ihrer Bereitschaft zu helfen, sonst würde sie nicht mit ihr durch die Straßen ziehen und warten, bis ein fremdes Dienstmädchen
vorbeikam. Das war nicht nur ein außerordentlicher Freundschaftsbeweis, es zeigte auch deutlich, dass Charlotte überzeugt war, Martin Garvie könne in großer Gefahr schweben.
    »Um welche Zeit ist Tilda denn unterwegs?«
    »So um diese Zeit«, sagte Gracie.
    »Dann gieß bitte noch etwas Wasser in den Topf mit der Gemüsebrühe, und rück ihn auf die Seite, damit er nicht durchbrennt. Danach können wir gehen.«
    Mit einem Blick auf Pitts Jackett sah Gracie Charlotte fragend an. »Das mache ich fertig, wenn wir zurück sind«, sagte sie, wischte sich die Hände an der Schürze ab und hängte sie an die Tür. »Hol deinen Mantel.«
    Es dauerte fast eine Stunde, bis Tilda endlich kam. Erst als Gracie sie zweimal angesprochen hatte, fiel ihr auf, dass jemand das Wort an sie gerichtet hatte, so sehr war sie in ihre Gedanken vertieft.
    »Ach, du bist das!«, sagte sie erleichtert, und die Sorgenfalten schwanden aus ihrem Gesicht. »Ich bin ja so froh, dich zu seh’n! Hast du schon was rausgekriegt? Nein? Na klar, is wohl noch zu früh. War dumm von mir zu frag’n. Ich hab auch noch kein Wort gehört.« Wieder bildeten sich die Falten, und Tränen traten ihr in die Augen. Es kostete sie offensichtlich alle Willenskraft, Haltung zu bewahren.
    »Komm mit«, forderte Gracie sie auf, nahm sie beim Arm und führte sie einige Schritte beiseite, aus dem Strom der Fußgänger heraus. »Ich hab Mrs Pitt mitgebracht. Se muss dich Verschiedenes frag’n, weil se dir helfen will.«
    Mit großen ängstlichen Augen sah Tilda zu Charlotte hin, die jetzt neben die beiden getreten war.
    »Guten Morgen, Tilda. Können Sie eine halbe Stunde erübrigen, ohne dass Ihre Herrschaft ungehalten wird? Ich wüsste gern ein wenig mehr über Ihren Bruder, damit wir besser nach ihm suchen können.«
    Einen Augenblick lang wusste Tilda nicht, was sie sagen sollte, dann aber zeigte sich, dass ihre Angst stärker war als ihre Schüchternheit.
»Ja, Ma’am. Ich bin sicher, es is nich so schlimm, wenn ich sag, dass es mit Martin zu tun hat. Ich hab denen schon gesagt, dass er verschwund’n is.«
    »Gut«, sagte Charlotte. »Das dürfte angesichts der Umstände das Klügste sein.« Sie hob den Blick zum mit Wolken verhangenen grauen Himmel. »Ich denke, es spricht sich besser bei einer Tasse heißem Tee.« Ohne auf eine Antwort zu warten, wandte sie sich um und ging in einen kleinen Bäckerladen voraus, der auch Erfrischungen feilbot. Als sie sich zu Tildas Erstaunen an einen Tisch gesetzt hatten, bestellte sie Tee und warmes Gebäck dazu.
    »Wie alt ist Ihr Bruder?«, fragte sie.
    »Dreiundzwanzig«, antwortete Tilda.
    Charlotte war beeindruckt. Für einen Kammerdiener war das bemerkenswert jung. Immerhin handelte es sich dabei um eine Vertrauensstellung, für die man außerdem gewisse Kenntnisse brauchte. In diesem Alter war ein junger Diener normalerweise höchstens Lakai. Entweder stand er schon seit früher Kindheit im Dienst, oder er besaß eine ungewöhnlich gute Auffassungsgabe.
    »Wie lange ist er schon im Hause Garrick?«, fragte sie weiter.
    »Da is er mit siebzehn hingekomm’n«, sagte Tilda. »Vorher war er Stiefelputzer bei den Furnivals. Weil die keine zwei Lakaien brauchen konnt’n, hat er sich ’ne and’re Stellung gesucht un sich dabei sogar verbessert. Angefangen hat er bei den Garricks als Lakai, aber Mr Stephen is gleich gut mit ihm zurechtgekomm’n.« Stolz lag in ihrer Stimme. Unwillkürlich setzte sie sich bei diesen Worten ein wenig aufrechter hin und straffte die schmalen Schultern.
    »Dann muss er seine Arbeit wohl sehr gut tun«, sagte Charlotte und sah, wie Tilda dankbar lächelte. »Wissen Sie, ob er dort glücklich war?«
    Tilda beugte sich ein wenig vor. »Aber ja! Das is es ja grade ... Er hat nie gesagt, dass jemand mit ’m unzufried’n war. Das hätt ich gewusst. Wir ha’m uns immer alles gesagt.«
    Zwar war Charlotte davon überzeugt, dass das für Tilda galt, die Jüngere und bei weitem Abhängigere der beiden, während es ohne
weiteres möglich war, dass ihr Bruder manches für sich behielt. Doch würde es zu nichts führen, der jungen Frau gegenüber solche Erwägungen anzustellen. Stattdessen fragte sie: »Wie sieht er aus?«
    »So ungefähr wie ich«, gab sie zur Antwort. »Natürlich größer un breiter, aber Augen un Haare sind wie

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