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Die Frau aus Alexandria

Die Frau aus Alexandria

Titel: Die Frau aus Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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bei mir un die Nase auch.« Sie wies auf ihr hübsches Gesichtchen.
    »Aha. Das hilft uns sicher weiter. Können Sie uns noch etwas über ihn mitteilen, was für uns wichtig sein könnte?«, fragte Charlotte. »Gibt es eine junge Dame, die er bewundert – oder vielleicht eine, die ihn bewundert?«
    »Sie meinen, eine hätt ’n Auge auf ihn geworfen un verrückt gespielt, wie er se nich wollte?«, fragte Tilda. Ein Schauer überlief sie.
    Die Bedienung brachte den Tee und das Gebäck. Charlotte goss den Tee ein und forderte die beiden jungen Frauen auf zuzulangen. Als die Bedienung gegangen war, sagte sie: »Möglich wäre das. Wir müssen sehr viel mehr in Erfahrung bringen. Da man im Hause Garrick offensichtlich nicht bereit ist, uns Auskunft zu geben, müssen wir auf eigene Faust festzustellen versuchen, was geschehen ist, und das so bald wie möglich. Da Sie dort nach einer Erklärung gefragt haben, kennt man Sie dort bereits. Am besten dürfte es sein, nicht wieder hinzugehen, jedenfalls nicht in nächster Zeit. Ich kenne die Garricks nicht – aber das ließe sich möglicherweise ändern. Gracie, es sieht ganz so aus, als ob du den Anfang machen müsstest.«
    »Wie soll ich das anstell’n?«, fragte Gracie, die gerade von ihrem Gebäck abbeißen wollte. In ihrer Stimme mischten sich Entschlossenheit und Furcht. Sie bemühte sich, nicht zu Tilda hinzusehen.
    Trotz allen Kopfzerbrechens war Charlotte noch kein Einfall gekommen. »Darüber reden wir zu Hause«, sagte sie. Falls Gracie gemerkt hatte, dass sie selbst noch nicht wusste, wie sie vorgehen sollten, würde sie das vor Tilda auf keinen Fall zeigen. »Noch etwas Tee?«, fragte sie.
    Sie aßen das Gebäck auf, und Charlotte bezahlte. Kaum waren sie draußen, als Tilda, der wohl zu Bewusstsein kam, wie lange sie
fort gewesen war, beiden eilig dankte und sich verabschiedete. So viel Zeit, wie sie da im Gespräch verbracht hatte, ließ sich mit keinem noch so langen Schlangestehen bei ihren Besorgungen erklären.
    »Wie soll ich denn in das Haus kommen und die Leute fragen?«, wollte Gracie wissen, als sie mit Charlotte allein war. An der Art, wie sie fast um Verzeihung für ihre Frage bat, als sei ihr klar, dass sie Charlotte damit unabsichtlich Ungelegenheiten bereitete, ließ sich erkennen, dass auch ihr noch nichts eingefallen war.
    »Nun, mit der Wahrheit kommen wir unter keinen Umständen zum Ziel«, erklärte Charlotte und hielt den Blick starr geradeaus gerichtet, während sie weiter der Keppel Street entgegenstrebten. »Das ist wirklich schade, denn die kann man sich am leichtesten merken. Wir werden uns also etwas ausdenken müssen.« Sie vermied das Wort ›lügen‹. Da sie im Dienst einer höheren Wahrheit handelten, konnte ihrer Ansicht nach von einer wirklichen Täuschung keine Rede sein.
    »Ich hab nix dageg’n, denen was aufzutisch’n«, formulierte Gracie ihre eigene Haltung, »aber wie soll ich nur da reinkomm’n? Ich hab schon hin un her überlegt, aber mir fällt nix ein. Wenn mir Tellman doch nur glau’m würde, dass hier tatsächlich was faul is! Ich weiß, er is ’n Dickkopf, aber das is ja schlimmer wie wenn man ’n Maultier rückwärts vor ’n Wag’n treibt, um ’s anzuschirr’n! Mein Opa hat Kohl’n ausgefahr’n, der hatte so’n Maultier. So’n störrisches Vieh wie das hat die Welt noch nich geseh’n. Man hätte glau’m könn’, dass dem die Hufe am Bod’n festgeklebt war’n.«
    Charlotte musste über den Vergleich lächeln, doch auch ihr fiel nichts ein. Als sie auf der Francis Street um die Ecke bogen, wehte ihnen mit einem Mal der Wind ins Gesicht. Hastig griff ein Zeitungsjunge nach seiner Reklametafel, die bedenklich schwankte und auf ihn zu fallen drohte. Gracie eilte hin und half ihm.
    »Danke, Frollein«, sagte er zu Gracie und bemühte sich, die Tafel wieder gerade hinzustellen. Charlotte warf einen kurzen Blick auf die Zeitung, die Gracie davor bewahrt hatte, davongeweht zu werden.
    »Da steht nix Gutes drin, gnä’ Frau«, sagte der Junge und verzog angewidert das Gesicht. »Die Cholera is jetz auch in Wien. Der Franzmann kämpft in Mada-irgendwas und behauptet, schuld da dran wär’n uns’re Missionare, also wir Engländer.«
    »Madagaskar?«, riet Charlotte.
    »Ja ... könnte sein«, sagte er. »Zwanzig Tote bei ’nem Zugunglück in Frankreich, un das grade jetz, wo se ’ne neue Eisenbahn von Jaffa – keine Ahnung wo das liegt – nach Jerusalem eröffnet ha’m. De Russ’n ha’m

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