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Die Frau aus Alexandria

Die Frau aus Alexandria

Titel: Die Frau aus Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Sie so viel wie möglich über die Frau in Erfahrung: wen sie dort kennt, und an wem sie hängt. Versuchen Sie festzustellen, ob es etwas gibt, womit Lovat sie hätte erpressen können.« Deutlicher Abscheu trat auf seine Züge. »Was will sie überhaupt hier in England? Wer sind ihre Angehörigen? Hat sie in Ägypten Vermögen oder Liebhaber, hängt sie irgendwelchen religiösen oder politischen Überzeugungen an, schuldet sie jemandem Ergebenheit?«
    Pitt sah ihn fassungslos an, während ihm nach und nach aufging, welch unglaubliche Aufgabe ihm da aufgebürdet wurde. Er hatte keine Vorstellung, wo er anfangen sollte, ganz davon zu schweigen, wie er Schlussfolgerungen bewerten sollte. Abgesehen von Wissensbrocken, die er in Unterhaltungen und bei der Zeitungslektüre aufgeschnappt hatte, war er nicht im Geringsten über Ägypten informiert. Seit neuestem besaß er gewisse Kenntnisse über den dortigen Baumwollanbau, hätte jedoch nicht sagen können, ob sie sich mit den Tatsachen deckten. Ganz davon abgesehen, kannte er Alexandria nicht. Er war überzeugt, dort unterzugehen. Bestimmt war alles völlig anders als in London: das Klima, die Art der Ernährung, die Kleidung und die Bräuche.
    Doch im selben Augenblick, da ihn die Furcht erfasste, spürte er eine Art Erregung, die mit jeder Sekunde wuchs, und so hatte er zugestimmt, bevor ihm klar war, auf welche Weise er seinen Auf trag würde erfüllen können.
    »Ich bin einverstanden, Sir. Wie stelle ich das am besten an ... Thomas Cook?«
    Ein flüchtiges Lächeln trat auf Narraways Lippen. »Das war ein dienstlicher Befehl, Pitt, kein Vorschlag. Ihre einzige Alternative wäre Ihre Kündigung gewesen. Aber es freut mich, dass ich Ihnen das nicht vorbuchstabieren musste.« Dann wurde er ein wenig zugänglicher.
»Seien Sie vorsichtig. Im Augenblick ist Ägypten ein schwieriges Pflaster, und die Fragen, denen Sie dort nachgehen müssen, sind heikel. Zwar will ich die Informationen, aber ich will Sie auch lebend wiedersehen. Ihr Tod in irgendeinem finsteren Gässchen würde meinem Ruf in der Branche sehr schaden.« Zusammen mit den Schatzwechseln nahm er einen neutralen Umschlag aus dem Schreibtisch. »Hier, Ihre Fahrkarten und Ihr Geld. Ich denke, es müsste genügen. Am besten suchen Sie Mr Trenchard im britischen Konsulat auf. Möglicherweise kann er Ihnen helfen.«
    Pitt nahm beides entgegen. »Danke.«
    »Ihr Schiff läuft morgen mit der Abendflut in Southampton aus«, fügte Narraway hinzu.
    Pitt wandte sich zum Gehen. Er wollte so schnell wie möglich nach Hause, denn viel Zeit blieb ihm nicht, seine Vorbereitungen zu treffen und zu packen. Der Gedanke, dass ihm die Kleidungsstücke, die er besaß, dort kaum von Nutzen sein dürften, war ihm noch gar nicht gekommen.
    »Pitt!«, meldete sich Narraway mit schneidender Stimme.
    Er wandte sich ihm zu. »Ja?«
    »Wie gesagt, seien Sie vorsichtig. Bei diesem Fall geht es vermutlich um das, wonach es aussieht: einen Mann mit mehr Gefühlen als Verstand. Sollte sich aber herausstellen, dass die Sache doch eine politische Dimension besitzt, mit Baumwolle oder ... oder ich weiß nicht was zu tun hat, hören Sie mehr zu, als Sie selbst sagen. Gewöhnen Sie sich an zu beobachten, ohne Fragen zu stellen. Sie sind nicht als Polizeibeamter in Alexandria.« Mit einem Mal wirkte Narraway ermattet, und die Spuren schrecklicher Ereignisse, die noch gar nicht eingetreten waren, schienen auf seinem Gesicht zu liegen. Vielleicht aber waren es auch Erinnerungen an frühere Vorfälle. »Niemand kann Sie da unten schützen. Dass Sie Weißer sind, ist Ihnen dort ebenso sehr von Nutzen, wie es Ihnen schaden kann. Passen Sie also um Gottes willen ein bisschen auf sich auf!« Er sagte das in so ärgerlichem Ton, als wäre es Pitts Gewohnheit, sich Hals über Kopf in Abenteuer zu stürzen. Dabei hatte er sein Leben
nur selten aufs Spiel gesetzt, wenn überhaupt – außer vielleicht in Whitechapel, beim ersten Auftrag, den er für Narraway zu erledigen hatte. Er hatte sich immer auf die mit seiner Position verbundene Sicherheit verlassen, für die es nicht unbedingt einer Uniform bedurfte. Eine kalte Furcht kroch in ihm empor.
    Er merkte, dass sein Mund wie ausgedörrt war, als er »Ja, Sir« sagte. Aus Sorge, seine Gefühle zu zeigen, ging er rasch hinaus, bevor Narraway noch etwas sagen konnte.

KAPITEL 6
    »Ä gypten!«, entfuhr es Charlotte ungläubig, als Pitt geendet hatte. Er war spät nach Hause gekommen, und das Abendessen stand

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