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Die Frau aus Alexandria

Die Frau aus Alexandria

Titel: Die Frau aus Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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was ist mit Einladungen? Die kann er ja nicht gut unbeantwortet lassen; man müsste sie ihm zumindest nachschicken.«
    Tellman biss sich auf die Lippe. »Auch wenn ich natürlich nicht offen heraus fragen konnte, habe ich mich doch in Bezug auf den jungen Mr Garrick ein wenig umgehört. Es sieht ganz so aus, als hätte er nicht besonders viele Freunde. Soweit ich feststellen konnte, scheint er kein sehr geselliger Mensch zu sein.«
    Gracie betupfte sich die tränenden Augen mit dem Taschentuch. Als sie die Zwiebelstückchen in das heiße Fett gab, gingen ihre Worte in dessen Aufzischen unter. »Mit irgendjemand muss er aber doch bekannt sein«, wiederholte sie nach einer Weile. »Er is nich zu Haus, geht nich arbeit’n – wo is er dann? Vermisst ’n denn keiner?«
    »Meinen Erkundigungen nach scheint es niemanden zu geben, dem seine Abwesenheit auffallen würde, weil er nur selten mit anderen Menschen zusammentrifft«, antwortete ihr Tellman. Dann wandte er sich an Charlotte: »Er führt wohl nicht das gleiche Leben wie die meisten Männer seines Alters und Standes. Da er keinen Klub regelmäßig aufsucht, findet niemand es befremdlich,
dass man ihn selten oder nie sieht. Nirgendwo kennt man ihn, er spricht mit keinem, geht mit keinem zum Rennen, treibt mit niemandem Sport. Außerdem tut er nichts, um ... seinen Lebensunterhalt zu verdienen!« Er räusperte sich. »Ich komme fast täglich mit denselben Menschen zusammen. Wenn ich einmal nicht da wäre, würde das bald auffallen, und die Leute würden Fragen stellen.«
    Charlotte verzog nachdenklich das Gesicht. Zwar beunruhigte sie, was er sagte, aber etwas Bestimmtes ließ sich noch nicht daraus herleiten. Was ihr durch den Kopf ging, hätte sie in feiner Gesellschaft nicht sagen dürfen, doch die Sache war zu ernst, als dass sie auf so etwas Rücksicht nehmen konnte. Andererseits war ihr klar, dass sie Tellman nicht offen darauf ansprechen durfte, schon gar nicht in Gracies Anwesenheit. »Er ist nicht verheiratet«, sagte sie vorsichtig. »Und soweit wir wissen, trägt er sich auch keiner Frau gegenüber mit solchen Absichten. Hat er womöglich ...«Sie wusste nicht so recht, wie sie fortfahren sollte.
    »Ich habe nichts dergleichen feststellen können«, gab ihr Tellman rasch zur Antwort. »Alles deutet daraufhin, dass er ein ziemlich unglücklicher Mensch ist.« Er sah zu Gracie hin. »Ungefähr so, wie sie gesagt hat. Trinkt viel und macht dann Ärger. Auf diese Weise hat er in letzter Zeit viele Freunde verloren. Niemand scheint ihn mehr aufzusuchen. Natürlich hatte ich keine Gelegenheit, der Sache besonders tief auf den Grund zu gehen, aber es ist sicher, dass ihn niemand gesehen hat und er wohl auch nicht die Absicht hatte, irgendwohin zu reisen. Das aber heißt, ganz gleich, wo er sich aufhält: die Entscheidung, diesen Ort aufzusuchen, ist ohne längere Planung gefallen.«
    »Un dabei hat er Martin Garvie mitgenomm?«, fragte Gracie, die in den Zwiebeln rührte, ohne ihn anzusehen. »Wieso hat dann die Köchin nix darüber gewusst? Un Bella? Die hätt’n doch sicher davon gehört? Bestimmt is er nich ohne Gepäck aus’m Haus. Das machen feine Herren nich.«
    »Da hat sie Recht«, stimmte Charlotte zu. »Und zu den Briefen haben Sie auch noch nichts gesagt. Werden sie ihm nachgeschickt?
Einladungen an ihn kann jemand anders ablehnen, aber seine Post will er doch sicher selbst haben.«
    »Sein Vater?«, sagte Tellman.
    »Vermutlich«, stimmte Charlotte zu. »Aber die bringt er doch wohl kaum selbst zum Briefkasten. Warum sollte er? Leute wie er haben dafür Lakaien. Befindet er sich an einem so geheimen Ort, dass das Personal nichts davon wissen darf? Und warum hat Martin seiner Schwester Tilda keine Mitteilung geschickt oder hinterlassen?«
    »Dafür war wohl keine Zeit«, sagte Tellman. »Entweder ist er einer plötzlichen Einladung gefolgt, oder er hat sich von einem Augenblick auf den anderen zur Abreise entschlossen.«
    »An einen Ort, von wo aus Martin keine Möglichkeit hatte, einen Brief zu schicken – wenn schon nicht an Tilda, dann zumindest an jemanden, der sie hätte informieren können?«, fragte Charlotte zweifelnd.
    Inzwischen gab Gracie die Kartoffeln und den Kohl in die Pfanne, verrührte sie mit den Zwiebeln und wartete, dass das Ganze schön braun wurde. »Da stimmt was nich«, sagte sie leise. »Das is unnatürlich. Ich würd sagen, da is was faul.«
    »Ich auch.« Charlotte sah Tellman offen an.
    Er gab ihren Blick zurück.

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