Die Frau aus dem Jenseits!
ihr euch wieder anziehen.“
Der Chefarzt stand auf um alle Kleidung aufzusammeln. Er trug sie zurück zu Schwester Claudia, umarmte sie, wobei sich ihre Lippen erneut zu einem Kuss fanden. Dann trennten sie sich voneinander und kleideten sich wieder an.
Der Chefarzt setzte sich wieder an seinen Schreibtisch und stierte abwesend auf die Tischplatte.
„Vielen Dank, Doktor“, lächelte Krankenschwester Claudia, doch das nahm der Chefarzt nicht wahr. Erst als sich hinter der Besucherin und der Angestellten die Tür geschlossen hatte, strich er sich mit der Hand über die Stirn und die Augen, als müsse er etwas verscheuchen.
Kopfschüttelnd wandte er sich wieder seiner Arbeit zu.
Von einer Besucherin oder einer sexuellen Vereinigung hatte er keine Ahnung mehr.
Schwester Claudia führte die Fremde in Clara von Bartensteins Zimmer.
„Danke, sie können nun gehen“, sagte Dagmar Böhm mit kalter Stimme.
„Aber das geht nicht, ich darf sie nicht allein hier lassen“, erwiderte Schwester Claudia. „Ich muss unbedingt...“
Ihre Stimme erstarb zu einem unhörbaren Flüstern. Ihr Blick verschleierte sich, ihre Haltung erschlaffte. Sie drehte sich um und verließ den Raum, ohne noch ein Wort zu verlieren.
Dagmar Böhm setzte sich auf das Bett der Lebensmüden. Claras Augen waren fest geschlossen. Ihr Gesicht hatte eine ungesunde und blasse Farbe angenommen. An ihrem Hals zeichneten sich die hässlichen Striemen ab, die der Strick hinterlassen hatte.
Sie war nicht ernstlich verletzt, aber das Zusammenwirken von Schock und Strangulierung hatte sie in tiefe Bewusstlosigkeit verfallen lassen.
Die Augen der Frau richteten sich beschwörend auf die Ohnmächtige. Ihr Blick saugte sich an dem bleichen Gesicht fest, bis die Augenlider zu flattern begannen.
Clara von Bartenstein schlug die Augen auf.
Verständnislos schaute sie auf die vor ihr sitzende Person, dann begann es in ihrem Gesicht zu zucken.
„Mutter“, flüsterte sie und wollte ihre Hände nach Dagmar Böhm ausstrecken, doch die Frau schien unendlich weit entfernt zu sein. Und wie aus endloser Ferne drang auch nur die Stimme an ihr Ohr, die Stimme ihrer toten Mutter.
„Wir haben einander nie kennengelernt“, sprach Selina von Bartenstein durch den Mund der von ihr besessenen Dagmar Böhm.
„Ich starb wenige Monate nach deiner Geburt.“
Aufschluchzend schlug Clara die Hände vor das Gesicht. Tränen quollen zwischen den Fingern hervor.
„Ich starb in einem zertrümmerten Auto, weil dein Vater zuviel getrunken hatte und gegen einen Baum fuhr!“ zischte Selina.
„Hör auf Mutter“, ächzte Clara. „Warum quälst du mich?“
„Ich starb in einem Auto!“ hämmerte die Stimme auf die Wehrlose ein. „Schuld war dein Vater! Er hat mich auf dem Gewissen, aber er hat nie dafür gebüßt! Tritt du an meine Stelle, Clara! Vollziehe die Strafe! Denk daran, ich starb in einem Auto!“
Als Clara die Augen öffnete, war die Gestalt an ihrem Bett verschwunden. Sie setzte sich auf und blickte um sich, doch ihre Mutter war nicht hier. Sie hörte auch die Stimme nicht mehr.
Minutenlang blieb Clara bewegungslos sitzen und hielt den Kopf zur Seite geneigt, als lausche sie auf etwas, dann stieg sie aus dem Bett. Ihre Kleider hingen noch in einem Schrank. Auch ein leichtes Kopftuch befand sich darunter, dass sie sich um die hässlichen Würgemale an ihrem Hals band.
Vorsichtig steckte sie den Kopf durch einen Türspalt und spähte auf den Gang hinaus. In diesem Moment war er menschenleer. Clara nutzte die Gelegenheit aus, schlüpfte auf den Korridor und lief zur Treppe.
Sie ahnte nicht, dass sich vor etwa einer Stunde eine ähnliche Szene vor einem anderen Krankenhaus abgespielt hatte, als sie ein Taxi an den Straßenrand winkte. Sie ahnte auch nicht, dass eine schöne rothaarige Frau in einem nahe gelegenen Hauseingang stand und jede ihrer Bewegungen mit brennenden Augen verfolgte.
18
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Im Gegensatz zu Hauptkommissar Schubert war David Buchmann keineswegs der Ansicht, dass der Fall durchgestanden war. Zugegeben, im Moment war die Hauptperson, Dagmar Böhm, unter Kontrolle und somit unschädlich, aber die Frage war nun, wie es weitergehen sollte. Immer konnte diese junge Frau auch nicht im Krankenhaus bleiben. Man hätte sie schon in einer ausbruchssicheren Gefängniszelle unterbringen müssen, um zu verhindern, dass Selinas Geist wieder Besitz von ihr ergriff und sie zu ihrem Werkzeug machte. Für eine solche Haft gab es jedoch keinen
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