Die Frau aus dem Meer
Schild mit der Aufschrift «Eier und Geflügel» angebracht war, kaufte er einen Hahn.
Zur Dämmerung, während er die Kühle unter dem Olivenbaum genoss, tauchte Donna Pina auf.
«Hört zu, Donna Pina, heute Nachmittag bin ich zum Rathaus gegangen, um die Papiere und …»
«Ich weiß, ich weiß! Heute Morgen habe ich mit dem Bürgermeister gesprochen. Der kümmert sich um alles.»
«Kennt Ihr den Bürgermeister denn?»
«Natürlich! Jeden zweiten Tag mache ich ihm seine Beinwickel.»
«Wie lange dauert es, bis die Dokumente fertig sind?»
«Einen Monat und zwanzig Tage.»
«So lange?!»
Donna Pina fing an zu lachen.
«Es gefällt Euch wohl, Maruzzas schönes glattes Fleisch, was? Könnt Ihr’s schon gar nicht mehr erwarten? Es wird Euch doch wohl nicht, wenn Ihr mit Maruzza alleine seid, wieder so gehen wie in der vergangenen Nacht? Ein Monat und zwanzig Tage ist die Mindestzeit. Alle im Ort sollen es doch erfahren, dass Ihr und Maruzza heiraten werdet!»
«Wieso denn?»
«So will es das Gesetz, und so will es die Vorsicht. Denn wenn es jemanden gibt, der was dagegen hat, so hat er Zeit, das vorzubringen.»
«Aber wer sollte denn …»
«So ist nun mal das Gesetz. Und das ist gut so!»
«Wieso?»
«Weil Maruzza ein paar Schwierigkeiten hat, die vor der Eheschließung gelöst werden müssen.»
«Was für Schwierigkeiten denn?», fragte Gnazio alarmiert.
«Erlaubt Ihr Eurer Frau Maruzza, hin und wieder völlig nackt ein Bad im Meer zu nehmen?»
«Wo will sie das denn machen?»
«Am Strand gleich unterhalb von Eurem Landstück.»
«Niemals, Herr des Himmels! Am Strand sind immer Fischer, die kommen und gehen!»
«Und genau darüber haben wir uns mit Maruzza Gedanken gemacht. Daher kann sie in Euer Haus, so wie es jetzt ist, nicht kommen und da leben.»
Gnazio fühlte, wie sein Herz starb.
«Mag sie’s nicht?»
«Die Frage ist nicht, ob sie’s mag oder nicht, sondern sie braucht gewisse Annehmlichkeiten, an die sie gewöhnt ist.»
«So redet doch!»
«Also, zuallererst muss sie morgens, wenn sie aufwacht, das Meer sehen können. Von Eurem Schlafzimmer aus kann man das Meer aber nicht sehen.»
«Und wie soll man das beheben?»
«Ganz einfach! Über dem Schlafzimmer baut Ihr ein weiteres Zimmer, nur dass das Fenster dieses Zimmers zum Meer hin liegen muss, damit Maruzza, wenn sie aufwacht, hinaufgehen und den Blick genießen kann.»
«Das lässt sich machen», erwiderte Gnazio erleichtert.
«Dann gibt’s da noch etwas.»
«Ihr müsst es mich nur wissen lassen.»
«Wenn sie sagt, dass sie fühlt, sie würde zu einer Sirene werden …»
«Aber ist ihr diese Wahnvorstellung denn nicht vergangen?»
«Sie ist dabei zu vergehen. Doch gelegentlich kehrt sie zurück. Sagen wir: einmal alle drei Monate, wenn die Jahreszeiten wechseln.»
«Und wie lange dauert das an?»
«Einmal hat es eine ganze Woche gedauert. Jetzt dauert es einen Tag.»
«Was passiert dann mit ihr?»
«Wenn es sie überkommt und sie sich wie eine Sirene fühlt, will sie ins Meer.»
«Wie macht sie’s denn jetzt?»
«Jetzt wohnt sie in einem Haus, das fünf Meter vom Strand entfernt ist. Und wenn es sie überkommt, springt sie gleich ins Meer.»
«Nackt?»
«Nackt. Aber seid beruhigt, das ist ein verlassener Ort, da kommt nie jemand vorbei.»
«Und dann ist sie den ganzen lieben langen Tag dadrinnen?»
«Nein. Drei Stunden morgens und drei Stunden abends reichen ihr völlig aus.»
«Auch wenn’s kalt ist?»
«Wenn Maruzza eine Sirene ist, spürt sie weder Hitze noch Kälte.»
«Was muss ich tun, um es ihr annehmlich zu machen?»
«Ihr müsst ihr eine Zisterne bauen.»
«Eine in die Erde eingelassene Zisterne?»
«Nein, eine mit offenem Himmel. Ihr müsst eine Zisterne bauen, die dreieinhalb Meter hoch ist und innen drei Meter im Umfang beträgt und rund ist. Habe ich das deutlich erklärt, sodass Ihr’s verstanden habt?»
«Eine Art hochstehende Röhre?»
«Ganz genau!»
«Und wie kommt Maruzza dahinein?»
«Von oben. Ihr baut vielleicht auch noch eine kleine Treppe hinauf. Und ebenfalls von oben könnt Ihr diese Zisterne mit Meerwasser füllen. Und unten bringt Ihr ein Loch für einen Pfropfen an, damit Ihr das Wasser ablassen könnt, nachdem Maruzza es benutzt hat. Ihr müsst an diesen Tagen zwei Füllungen mit Meerwasser herbringen.»
«Und warum?»
«Weil Maruzza abends nicht in dasselbe Wasser wie am Morgen eintauchen kann.»
Gnazio dachte einen Augenblick nach.
«Ist es dann nicht
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