Die Frau aus dem Meer
waren!
Doch warum hegten sie einen solchen Zorn auf den armen Mann? Das musste eine uralte Zwistigkeit sein, denn Minica hatte ja gesagt, sie habe Aulissi bereits gekannt, als dieser noch zur See gefahren sei … Dabei war Aulissi doch immer ein Landmann gewesen!
War er sich dessen so sicher? Vielleicht hatte Minica ja recht; was wusste er schon, was Aulissi während seiner, Gnazios, Abwesenheit in Amerika so alles getrieben hatte?
Gnazios letzter Gedanke war, dass er den Hundekadaver beerdigen musste, denn täte er das nicht, würde sein toter Körper bei dieser Hitze bald zu stinken anfangen.
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Maruzza und das Meerwasser
Gegen Mittag, als er aufwachte, war sein Kopfweh verschwunden. Er stand auf, nahm die Hacke und hob, weit vom Olivenbaum entfernt, eine Grube aus, legte den toten Hund hinein und bedeckte ihn mit Erde. Danach ging er wieder ins Haus und zog sich nackt aus.
Der Anblick seiner befleckten Unterhose ließ ihn vor Scham erröten.
Er begann sich zu waschen, hielt aber erstaunt gleich wieder inne.
Hatte Minica ihm in der vergangenen Nacht nicht einen Ring an den Zeigefinger gesteckt? Wieso aber hatte er ihn jetzt nicht mehr? Er konnte ihn kaum verloren haben, denn er wusste noch, wie eng er für ihn gewesen war. Vielleicht hatte Minica ihn ja von seinem Finger gestreift, als er halb bewusstlos dagelegen hatte. Aber warum hätte sie das tun sollen? War die Eheschließung doch nicht erfolgt? Hätte er, nach Minicas Vorstellung, Maruzza etwa vor ihren Augen unverzüglich nehmen sollen? Zu viele Fragen, zu viele. Besser nicht mehr daran denken!
Er begann sich vollständig zu waschen, rasierte sich, zog sich an und ging ins Esszimmer hinunter, denn er hatte Hunger.
Auf dem großen Tisch sah er die Cassata, die Cannoli, die Plätzchen, die Flasche mit dem Rosolio. Er bekam Lust auf einen Cannolo, merkte aber gleich, dass er schlecht geworden war, und auch die Cassata war nicht mehr gut. Er ging hinaus und warf beides weg; lediglich die Plätzchen und den Rosolio hob er im Vorratsschrank auf.
Ihm war nicht danach, das Feuer anzuzünden, und so aß er eine tüchtige Menge Brot mit Oliven und Brot mit Tumazzo-Käse. Allerdings trocken, denn sobald er ein Glas Wein nur an seinen Mund führte, schüttelte ihn allein schon der Geruch. In der Nacht zuvor hatte er entschieden zu viel getrunken.
Danach ging er in den Hühnerstall und schlürfte ein frischgelegtes Ei aus.
Ach ja! Er musste einen Hahn kaufen, dem alten hatte Minica ja den Kopf abgeschlagen. Unglaublich, wie dieses Mütterchen das Messer zu führen verstand!
Er machte sich auf den Weg nach Vigàta. Um vier Uhr kam er im Rathaus an.
«Was muss ich tun, wenn ich heiraten will?», fragte er den erstbesten Tintenkleckser, den er hinter einem völlig mit Papieren überhäuften Tisch entdeckte.
«Eine Frau suchen, die Euch heiraten will», sagte der Mann, ohne auch nur aufzuschauen.
«Nein, ich will wissen, welche Dokumente dafür erforderlich sind.»
«Zweites Zimmer links.»
Er betrat das zweite Zimmer links. Da war niemand. Also wartete er.
Nach einer halben Stunde kam ein Mann herein.
«Suchen Sie jemanden?»
«Ja, schon. Ich möchte gerne wissen, welche Dokumente ich beibringen muss, um heiraten zu können.»
«Aber wer verlangt das denn von Euch?»
Nachdem der Mann ein paar Papiere zusammengerafft hatte, ging er wieder hinaus. Nach einer weiteren halben Stunde kam ein so fetter Mensch herein, dass er Mühe hatte, sich durch die Tür zu zwängen.
«Das Büro ist geschlossen!», sagte er und warf einen empörten Blick auf Gnazio.
Gnazio wurde unruhig.
«Aber ich warte nun schon seit einer Stunde!»
«Na gut. Ärgert Euch nicht, das Leben ist zu kurz! Was wolltet Ihr denn?»
«Ich will heiraten und möchte wissen, welche Dokumente …»
«Wie heißt Ihr?»
«Gnazio Manisco.»
«Wartet einen Augenblick!»
Der Mann schaute die Papiere durch, die er auf seinem Tisch liegen hatte, und fragte ihn dann:
«Manisco Ignazio, Sohn des Nicola und der verstorbenen Manzella Maria?»
«So ist es.»
«Die Dokumente sind heute Morgen schon beantragt worden. Der Vorgang wurde bereits auf den Weg gebracht. Habt Ihr das nicht gewusst?»
«Nein. Und von wem?»
«Vom Bürgermeister persönlich.
Bongiorno
!
»
Er ging ganz verdattert weg. Der Bürgermeister? Wieso denn der Bürgermeister? Er kannte ihn nicht einmal, diesen Bürgermeister!
Als er am Landstück von Nunzio Lamatina vorbeikam, wo ein
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