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Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich

Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich

Titel: Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Seidert
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entsprechende Akte heraussuchen und jedes Detail eintragen, das durchgesehen oder ersetzt war. Jeden Tag kam ein Kurier, der mir die Texte brachte, die ich in die Akten einarbeiten musste, Ady gab nur die Nummern durch.«
    An den Zeitpunkt, wann Ady zum ersten Mal am anderen Ende der Leitung saß, kann sich Renée nicht erinnern. Adys Werksausweis für das Daimler-Benz Reparaturwerk für Flugzeugmotoren, den wir im Koffer fanden, wird ihr am 2. Mai 1944 ausgestellt. Ein Foto in ihren Alben besagt jedoch, dass sie Personen aus dem Umkreis von Daimler bereits zwei Jahre früher, im Sommer 1942, kannte. Also können wir mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass Ady ebenso wie Renée etwa 1942 bei Daimler anfing. Vermutlich, nachdem das Gesetz zum Reichseinsatz belgischer Arbeitskräfte im Frühjahr 1942 verschärft worden war.
    Ady (Mitte) mit Freundinnen, 1942.
    Ady eignet sich Bürokenntnisse an, absolviert eine Zusatzausbildung, wahrscheinlich einen Schreibmaschinenkurs. Sie ist froh, die Stelle ergattert zu haben. Vermutlich wird ihr sogar der gleiche Lohn angeboten, den ihre deutschen Kolleginnen bekommen. Generell galten für Zivilarbeiter, mit Ausnahme der Polen, der sogenannten »Ostarbeiter«, im Prinzip die gleichen Arbeitsbedingungen wie für die deutschen Kollegen. Jedoch hatten die Firmen, auch Daimler-Benz, bei der konkreten Ausgestaltung, etwa bei der Einstufung der belgischen Arbeiter in Lohngruppen und der Verteilung von Sonderprämien, einen gewissen Spielraum.
    Das Vorgehen der Besatzer bei der industriellen Ausbeutung reichte von der dreisten Plünderung von Sachwerten bis zur Einverleibung gesamter Ökonomien wie im Falle Polens. Der gängige Weg war die Gründung von Niederlassungen deutscher Firmen in den besetzten Gebieten, womit sie zu einheimischen Firmen in ungleiche Konkurrenz traten, genauso wie die »kommissarische« Verwaltung einheimischer Betriebe oder deren Schließung. Selbstwenn der Aufbau einheimischer neuer Werke genehmigt oder forciert wurde, dann geschah das zu den Konditionen der Deutschen.
    Daimler-Benz hat als einer der größten Rüstungsproduzenten während des Krieges in ganz Europa Zweigwerke betrieben, wo vom Fahrzeugbau bis zur Reparatur seiner Flugzeugmotoren alles stattfand. Der Untertürkheimer Konzern hat in großem Maßstab ausländische Arbeitskräfte angefordert und eingesetzt – Zivilarbeiter genauso wie Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge – und sich durch die Übernahme fremder Werke massiv Kapital angeeignet. Die Nachforschungen nach den Aktivitäten von Daimler-Benz während des Krieges füllen mittlerweile einige Regalmeter und sind noch immer nicht abgeschlossen. Vieles ist erforscht, so mancher kleinere Standort allerdings noch recht vage oder gar nicht, und bisweilen bleibt der Eindruck, dass der Konzern nur so viel über seine vielfältigen Betätigungen während des Dritten Reichs preisgibt, wie bereits bekannt ist. Nicht in allen Fällen existieren noch Belege, Personalakten, Lohnzettel, Verträge, die darüber Aufschluss geben, was und in welchem Umfang die deutschen Betriebe in den besetzten Städten damals taten. Zum einen, weil die Firmen ihr Kapital, ihre Maschinen und die deutschen Mitarbeiter vor den herannahenden Alliierten in Sicherheit brachten und zurück ins Reich verlagerten. Zum anderen war die Anzahl der Betriebe zu beträchtlich und nur in Fällen grober Menschenrechtsverletzungen letztlich von ausreichendem Interesse, allen Einzelheiten nachzuforschen. Auch über die Aktivitäten des Konzerns mit dem Stern in Antwerpen gab es erst mal keine Hinweise in den Archiven.
    Antwerpen Mortsel war ein kleines Werk, ein Reparaturbetrieb mit vielleicht Hunderten Beschäftigten. Erst die Recherchen des Antwerpener Autors Jean Dillen über die ERLA-Werke in Mortsel brachten mehr Licht in dieses Kapitel.
    Die ERLA Maschinenwerke GmbH bauten in Leipzig für die Firma Messerschmidt Jagdflugzeuge, etwa den Standardjäger der Luftwaffe, die Bf 109. Während des Krieges konnten defekte Flugzeuge aus naheliegenden Gründen nicht immer zur Reparatur in weit entfernte Werke transportiert werden. Für Wartungen, die nicht mehr vom Luftwaffenpersonal an den Flugplätzen vorgenommen werden konnten, wurden sogenannte Front-Reparaturbetriebe, abgekürzt FRB, eingerichtet. Der Entstehungshintergrund der FRB war offenbar eine von BMW im spanischen Bürgerkrieg für die Legion Condor eingerichtete Motorenwerkstatt. In den Spitzenzeiten des Krieges waren im

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