Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich
gesamten Reichsgebiet und in den besetzten Ländern etwa hundert solcher Betriebe im Einsatz, in denen manchmal einige Hundert, aber auch bis zu einigen Tausend Angestellten arbeiteten. Die Betriebe waren in den Händen ziviler Ingenieure und Mechaniker, sie wurden unterhalten von Herstellerfirmen wie Junkers, Heinkel, Messerschmitt, Daimler-Benz und deren Vertragspartnern.
Renée vor dem Tor in Mortsel. Hinter ihr der Standort des »Mutterhauses« von Daimler-Benz.
Daimler-Benz war eine der Firmen, die während des Zweiten Weltkriegs am erfolgreichsten im Bau von Motoren für Jagdflieger waren. Unser Bild der Wehrmacht ist geprägt von den endlosen Reihen von Panzern und gepanzerten Wagen, die sich durch die ausgedehnten Weiten der Sowjetunion kämpfen. Es ist ein bodenorientiertes Bild. Die Luft gehörte den Alliierten, dem Feind, er flog die Angriffeauf die deutschen Städte und verursachte die noch lange anhaltenden Traumata der Kriegsgeneration.
Mit dieser Sichtweise sitzen wir noch heute der Propaganda der Nazis auf. Dass die Wehrmacht Tausende von Flugzeugen gegen feindliche Zentren und Verbände einsetzte, hat sich im deutschen Kollektivbewusstsein nicht so festgesetzt. Die militärische Expansionspolitik der Nazis hätte ohne Luftwaffe nicht funktioniert, weshalb bereits in den Vorkriegsjahren – anfangs aufgrund der Verbote durch den Versailler Vertrag illegal und unter falschen Vorgaben, später offen kriegsvorbereitend – kaum ein Sektor der Rüstungsproduktion so vorangetrieben wurde wie die Flugzeugtechnik. Große Automobilkonzerne wie BMW und die Daimler-Benz AG witterten den aussichtsreichen Markt und bauten ihre Produktion von Flugzeugmotoren in großem Maßstab aus.
1943, es war die Hochzeit der Luftangriffe auf Industrieanlagen und Städte im Reich und die Ausfälle waren hoch, wurden 26 600 Zerstörer und Jagdflugzeuge, Kampf- und Schlachtflugzeuge und sonstige Kriegsflugzeuge produziert. 1944 betrug der Ausstoß im Schnitt dann 2150 Jäger – im Monat. Über das gesamte Jahr 1944 gingen 39 300 Zerstörer und Jagdflugzeuge, Kampf- und Schlachtflugzeuge in Dienst. Die Hälfte aller Flugmotoren für die Luftwaffe kamen von den Untertürkheimern. Sie waren beim deutschen Überfall auf Polen im September 1939 dabei, ebenfalls bei der Westoffensive gegen Frankreich und Belgien im Frühjahr 1940 und für die Invasion Englands vorgesehen. Die Flugmotoren von Daimler-Benz mehrten den Ruhm der Luftwaffe an allen Fronten.
Die ERLA Maschinenwerke aus Leipzig suchten in Antwerpen ein Gelände, groß genug, um Flugzeuge zu demontieren, zu reparieren und wieder zu montieren. Es sollte genügend Platz vorhanden sein, um sich auszubreiten, die Luftwaffe hatte große Pläne, außerdem sollte ausreichend Gelände in unmittelbarer Nähe für den Motorenhersteller Daimler-Benz vorhanden sein, der die defekten Motoren der Flugzeuge instand setzen sollte.
Man wurde in Mortsel, wenige Kilometer westlich vom Flughafen Deurne, auf dem Gelände der legendären Autofabrik »Minerva« fündig. Minerva war einst Belgiens stolzeste Automarke gewesen, sie zählte Filmstars und Könige zu ihren Kunden und war in Qualitätund Ausstattung eine ernste Konkurrenz für Rolls Royce. Die Werke waren bereits während der Besetzung Belgiens durch die deutschen Truppen im Ersten Weltkrieg ausgeräumt worden. Nun schlug das Schicksal erneut zu, als die deutschen Besatzer sie wieder für sich beanspruchten. Die Betreiber von ERLA konnten wählen zwischen leeren Magazinen im Antwerpener Hafen, den stillgelegten Werken von General Motors und Ford, zuletzt sagten ihnen jedoch in Mortsel die verlassenen Hallen des beschlagnahmten Autoherstellers am ehesten zu. Die belgische Armee hatte hier zwischenzeitlich ein Depot angelegt und im Chaos des Rückzugs alles liegen lassen.
Die Deutschen setzten die Hallen wieder instand und so wurde die Minerva-Fabrik in Mortsel zum »Front Reparturbetrieb ERLA VII«.
Daimler-Benz erhielt die Genehmigung, im besetzten Belgien einen »Front-Reparaturbetrieb« zu errichten. Ende November 1940 reiste der erste Vertreter der Firma nach Mortsel, ein Mann namens Franz Ewalt, und inspizierte die an ERLA angrenzende ehemalige Parkettfabrik »La Chapelle«. Offensichtlich sagte ihm das Gelände zu, die Hallen waren ausreichend groß. Wenig später kamen die Meister und die ersten Arbeiter aus den deutschen Betrieben, zusätzlich wurden einheimische Arbeiter eingestellt. Im Januar 1941 ging der
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