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Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich

Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich

Titel: Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Seidert
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Hitler die Stellung Antwerpens für so sicher, dass er am 12. Juli die Ablösung der Militärverwaltung von Alexander von Falkenhausen in Belgiendurch eine Zivilverwaltung unter dem Gauleiter von Köln, Josef Grohé, befiehlt. Von der darauf folgenden Schreckensherrschaft der SS in Antwerpen erfuhren die Frauen nichts mehr. Glücklicherweise sollte sie nur von kurzer Dauer sein.
    Grohé war überzeugter Nationalsozialist der ersten Stunde, 1922 hatte er die NSDAP in Köln mitbegründet, 1931 wurde er zum Gauleiter von Köln-Aachen ernannt. Nach seiner Zeit in Belgien organisierte er vor Kriegsende den Kölner Volkssturm und veranlasste die Sprengung der fünf großen Rheinbrücken. 1946 verhafteten ihn die Alliierten; 1950 wurde er zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt.
    Deutschland ist Kriegsland. Hatten die Frauen sich vorstellen können, in welchem Zustand das Land ist, durch das sie fahren werden? Zerbombte Städte, beschädigte Bahngleise, zerstörte Bahnhöfe. Züge werden umgeleitet über intakte Strecken, die entsprechend überlastet sind. Die Züge fahren quälend langsam, wegen der drohenden Luftangriffe tagsüber häufig gar nicht, sie warten auf die Nacht, um ungesehen weiterzurollen. Es herrscht alles andere als ein geregelter Fahrbetrieb.

Entsetzen in Frankfurt
    In Frankfurt am Main sollen Ady, Renée und die anderen wieder Station machen. Sie werden am Bahnhof von Daimler-Mitarbeitern abgeholt und etwas außerhalb zu einem Barackenlager gebracht, wo sie einige Tage warten sollen. Dort treffen auch die Lkws von Daimler ein, beladen mit Technikern und Material.
    Ob Jupp dabei war, wissen wir nicht, etwas anderes wurde am letzten Abend in Frankfurt so prägend, dass Renée sich nicht an Jupp erinnerte.
    Wir waren in Baracken untergebracht im Wald und wir waren die einzigen Zivilisten. Die anderen waren Soldaten oder Wächter in einem Camp. Wir wussten nicht, welches. Es war schönes Wetter. Eines Abends hörten wir aus der Ferne Musik und machten uns in einer Gruppe auf den Weg, etwas zu trinken zu finden, ein Bier vielleicht. Es waren so kleine Landwege. Wir fanden eine winzige Kneipe voller Menschen, die meisten waren Soldaten. Es war etwa 11 Uhr, als wir uns auf den Heimweg machten. Es war stockdunkel draußen, nirgends ein Licht und wir hatten keine Lampe mitgenommen. Wir wussten unseren Weg nicht und irgendwo war eine Ecke in hellem Licht. Mit einem Mal waren wir umstellt von einer Gruppe Soldaten mit allen Sorten Waffen im Anschlag. Ich versichere, wir lachten in dem Moment nicht mehr. Wir mussten uns ausweisen und sie fragten uns alles Mögliche. Wir erklärten, dass wir uns verlaufen hatten und unsere Baracken wieder finden müssten. Wir erreichten, dass wir nach einer Weile unsere Pässe zurückbekamen und einige Soldaten begleiteten uns zu unseren Baracken, die Waffen immer im Anschlag.
    Bescheinigung von Renée über die Verlegung ihrer Dienststelle L 19   583 »A« LgpA. Brüssel, aus dem Arbeitsgau Hessen/Frankfurt, nach dem endgültigen Arbeitsgau Neusalz a/ Oder.
    Am nächsten Morgen sind wir früh geweckt worden, weil wir in Frankfurt den Zug nehmen mussten … Und da sahen wir in dem Camp eine große Kolonne von Männern, ganz abgemagert, mit Streifenkleidern an – und jeder schaute zu uns mit Augen voller Hass. Auf der Zugreise sind wir ganz still gewesen, jeder mit seinen eigenen Gedanken, und im Nachhinein realisierten wir, dass das ein Konzentrationslager gewesen war. Wir waren ganz bestürzt und begriffen, warum es die Soldaten und Wächter gab.
    Es ist schwierig zu rekonstruieren, wo die Frauen hingeraten waren. Daimler-Benz unterhielt in der Frankfurter Innenstadt eine Niederlassung und beschäftigte dort sowohl sowjetische als auch »Westarbeiter« aus Frankreich, den Niederlanden und Flandern. Die sowjetischen Zwangsarbeiter waren auf dem Gelände der Niederlassung kaserniert, die »Westarbeiter« in der Frankenallee im Gallusviertel. Für die Jahre 1942 und 1943 waren dort maximal 41 Männer registriert.
    Die Frankenallee, gelegen zwischen den Gleisen nahe am Hauptbahnhof, fiel als Zwischenstation für die belgischen Frauen im Sommer 1944 bereits aus, das gesamte innerstädtische Gebiet war bei Luftangriffen im März 44 zerstört worden. Es liegt also nahe, dass die Frauen – ganz abgesehen davon, dass es unüblich war, Frauen inmitten von Männern unterzubringen – an einem anderen Ort einquartiert wurden.
    Renée erinnert sich deutlich an das Barackenlager mitten im Wald.

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