Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich
die jüdischen Frauen aus dem KZ-Außenlager.
Im Stadtgebiet wurden systematisch Zentren für Zwangsarbeit eingerichtet: ein Arbeitslager für Juden und später eine Außenstelle des KZ Groß-Rosen, drei Lager für Zwangsarbeiter, Lager für Kriegsgefangene, Arbeitskommandos und diverse Lager bei einzelnen Betrieben. Ein größeres Barackenlager, das sogenannte »Ausländerlager« für ausländische Zwangsarbeiter, befand sich an der Ackerstraße, heute Wiejska, und bestand aus mehr als zehn Baracken.
Die ersten Lager waren bereits im Herbst 1939 beim Krausewerk und den Gruschwitz Textilwerken entstanden. Die ersten Arbeiter waren Polen, dann kamen Franzosen, Belgier, Russen, Ukrainer, Tschechen und Juden. Im Herbst 1944 wurden auch Warschauer Aufständische in die Neusalzer Arbeitslager eingeliefert, die zum Teil im Spätherbst wegen angeblicher konspirativer Tätigkeit an ihren Aufenthaltsorten in Gefängnisse in Deutschland und in KZ geschickt wurden.
Es ist schwierig, heute die genaue Zahl der Arbeiter und Arbeiterinnen festzustellen, die die Lager in Neusalz durchliefen. Es ist anzunehmen, dass es einige Tausend waren. Anfang 1945 wurde die Mehrzahl der Lager aufgelöst, die dort befindlichen Arbeiter wurden ins Innere des Reiches evakuiert. Einen großen Teil der Zwangsarbeiter befreiten Mitte Februar die Russen.
Neusalz geriet in die historischen Annalen vor allem durch das Lager, das den Gruschwitz-Textilwerken angeschlossen war. Etwa Januar 1942 wurde dort ein Zwangsarbeitslager der »Organisation Schmelt« für jüdische Frauen aus dem Osten Oberschlesiens eingerichtet. 1944 wurde es in ein Außenlager des Konzentrationslagers Groß-Rosen umgewandelt.
Albrecht Schmelt war ein Weltkriegsveteran, der sich 1930 den Nazis anschloss und rasch zum SS-Oberführer aufstieg. Durch die Protektion Himmlers wurde er zum »Sonderbeauftragten des Reichsführers SS für fremdvölkischen Arbeitseinsatz in Oberschlesien« ernannt. Er baute ein äußerst lukratives Sklavensystem mit etwa 50 000 Arbeitskräften auf, vornehmlich Juden aus Polen, die in der Rüstungsproduktion in diversen Firmen eingesetzt wurden. Das Lagersystem von Schmelt umfasste in seinen besten Zeiten 177 Arbeitslager. Auch jenes, das im Zusammenhang mit Oskar Schindler bekannt wurde, war ein Schmelt-Lager gewesen.
Die Gruschwitz Textilwerke AG war der zweitgrößte Neusalzer Betrieb. Er führte die Produktion, Spinnerei und Weberei, durch die Kriegszeit hindurch ohne Unterbrechung fort. Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge produzierten Zwirn aus Flachs und Hanf sowie Leinen für Fallschirme. Aus den 700 Frauen aus dem Schmelt-Lager wurden nach der Übernahme durch die SS schnell etwa tausend Häftlinge durch Transporte mit ungarischen, deutschen, niederländischen, tschechischen und slowakischen Jüdinnen aus Auschwitz-Birkenau. Die Frauen aus dem Lager waren in der Spinnerei eingesetzt, wo sie in zwei Schichten von neun bis elf Stunden täglich die schwersten Arbeiten zu verrichten hatten, mehrere Berichte sprechen von dramatischen Unfällen. In den Untergeschossen der Fabrik verluden die Frauen darüber hinaus Munition.
Regelmäßig wurden die Frauen Röntgenuntersuchungen unterzogen, ein Verdacht auf Tuberkulose reichte aus, um die betreffenden Frauen nach Auschwitz zu deportieren. »Das Lager befand sich in der Breslauer Straße 43, auf dem Gelände der Meierei der ›Gruschwitz Textilwerke AG‹«, recherchierte die Historikerin Andrea Rudorff, »ungefähr zwanzig Meter von der Fabrik entfernt, und bestand aus 14 Holzbaracken und einem gemauerten Küchengebäude. Es war mit Stacheldraht und Wachtürmen umgeben und grenzte unmittelbar an die Sumpfufer der Oder.«
Das, was Ady erlebte 1944, war in keiner Weise vergleichbar mit dem unmenschlichen Leben in diesem oder anderen Konzentrationslagern. Ady und Renée konnten in Privatunterkünften wohnen, sie waren weder kaserniert noch unterstanden sie einer permanenten Überwachung.
Die Friedrich-Ebert-Straße wurde zur Adolf-Hitler-Straße. In Nummer 10 fand Renée bei der netten Dame ihr warmes Zimmer.
Renée in der Adolf-Hitler-Straße
In Antwerpen hatte jede der Frauen in ihrem eigenen Familien- und Freundeskreis gelebt. Durch Daimler hatte es wohl Überschneidungen gegeben, aber nun, fern von daheim, schloss man sich stärker mit denen zusammen, die man kannte. Doch man musste sich verabreden oder gegenseitig besuchen, die Frauen arbeiteten wie in Antwerpen zuvor zwar im selben Betrieb, doch
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