Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich
Kreuzes, beim Austausch von Kriegsgefangenenpost zu vermitteln, versperrten.
Was muss dieser Brief in Maria und in Firmin, sofern er zuhause war, ausgelöst haben. Beruhigung, ein Lebenszeichen zu erhalten, aber auch die schlimmsten Befürchtungen, weil ihre Tochter zu solchen Mitteln greifen musste, um ihnen zu schreiben! Sie wussten ja nicht, ob nicht Ady selbst in einem Lager als Gefangene war.
Nicht einmal diesen harmlosen Brief zu schreiben, war erlaubt. »Nach der Verordnung über den Umgang mit Kriegsgefangenen vom 11. 5. 1940 ist jedermann jeglicher Umgang mit Kriegsgefangenen und jede Beziehung zu ihnen strengstens untersagt. Dieses gilt auch für die im Reich eingesetzten ausländischen Arbeitskräfte. Unter das Verbot fallen unter anderem die Weiterleitung von Postsendungen, Empfang von Postsachen unter einer Deckanschrift und vieles andere mehr. Verstöße werden nach den Vorschriften zum Schutze der Wehrkraft des deutschen Volkes v. 25. 11. 31 RGBL. I S 2319 schwer bestraft.«
Doch es geht alles gut. Wir können rückblickend nur hoffen, dass auch Edouard Mertens, der ihr so großzügig seine Identität zur Verfügung stellte, nicht aufflog und bestraft wurde.
Adys Hoffnung, dass ihr Brief die Eltern in Antwerpen noch vor Weihnachten erreichen möge, erfüllt sich nicht. Laut Poststempel kam der Brief beinahe zwei Monate später, am 31. Januar 1945 durch Brüssel.
In der Zwischenzeit, am 25. Januar 1945, gibt Ady erneut einenBrief zur Post, unter ihrem eigenen Namen, und lässt ihn auf ihrer Kontrollkarte quittieren.
Wann ihr Brief unter dem Namen Edouard Mertens ihre Eltern im bombardierten Antwerpen erreichte, wissen wir nicht. Mitte Dezember gibt Tante Netje in Schweden einen Brief an Ady in die Post. Sowohl Ady als auch Netje machen sich Sorgen um Maria in Belgien und umeinander, jede ist von den anderen abgeschnitten.
Sudden death
Nässjö 16. 12. 44
Beste Ady,
ich habe gerade Deinen Brief empfangen, der vom 20. 11. 44 datiert ist, also beinahe einen ganzen Monat unterwegs war. Und da habe ich gesehen, dass du in Deutschland bist.
Ich habe schon so viele Briefe nach Hause [sie meint Antwerpen] geschrieben und sie sind alle wieder zurückgekommen. Ich kann nicht mehr nach Hause schreiben, so dass ich dir schreiben musste. Ady, ich habe so viel Kummer. Du, da ich weiß, dass du nicht so stark bist, das zu tun, aber pass gut auf, dass du noch nach Hause kommst, damit ich dich noch sehen kann, dass du nicht krank wirst, weil das wäre ein so großer Schmerz für uns.
Den von Netje erwähnten Brief gab Ady am 21.11. auf die Post. Sie hatte aus Antwerpen lange keine Nachricht bekommen und sich an die Tante gewandt. Aber auch Netje in Schweden hat keinen Kontakt zu Maria.
Antwerpen ist durch die Briten befreit, doch von der Welt abgeschnitten. Der Krieg war für die Stadt noch lange nicht vorbei, im Gegenteil: Was seit September auf die Stadt niederging, ließ die Einwohner Antwerpens mehr als einmal darüber sinnieren, ob es noch schlimmer kommen könne. Vor allem der Hafen war schwer umkämpftes Gebiet, doch den trafen die Flugbomben und A-4 Raketen kaum, die unter der Propagandabezeichnung V2 bekannt wurden, dagegen fielen sie auf das Antwerpener Stadtgebiet – und weil die Technik nicht ausgereift war, auch auf die Dörfer und Gemeinden im Umland.
Ende November konnten die Alliierten den Hafen in Betrieb nehmen, nachdem alle Minen geräumt waren. Tausende Antwerpener Männer fanden Arbeit, sie halfen, den mit Schiffen anlandenden Nachschub abzuwickeln, und erhielten wegen der anhaltenden Bombardierung Extra-Prämien, ein Chronist nannte die Gefahrenzulage »Bibber-Geld«.
Dann traf am 16. Dezember eine V2 das voll besetzte Kino »Rex« in der Nähe des Hauptbahnhofs. Drei Jahre zuvor, am Ostermontag 1941, war hier der Hetzfilm ›Der ewige Jude‹ gelaufen. An diesem Nachmittag im Dezember starben 567 Menschen, 291 wurden verletzt, mehr als die Hälfte der Toten waren britische, amerikanische und kanadische Soldaten, die sich den Film ›The Plainsman‹ (deutsch ›Der Held der Prärie‹) mit Gary Cooper und Jean Arthur in den Hauptrollen ansehen wollten.
Die Spitäler und Gesundheitsdienste waren im Dauereinsatz und immer noch überfordert. Zur Identifizierung mussten die Leichen am Zoo im Freien ausgelegt werden.
Nach dem Schock dieses Treffers wurden alle Theater und Kinos geschlossen, aus Angst vor einer erneuten Katastrophe durften sich nicht mehr als fünfzig Leute zusammen an
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