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Die Frau des Diplomaten (German Edition)

Die Frau des Diplomaten (German Edition)

Titel: Die Frau des Diplomaten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pam Jenoff
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auf! Da ist das Geräusch schon wieder, diesmal etwas lauter. Ich halte gebannt den Atem an, während Paul zu der Tür geht und seine Waffe hochhält. Er reißt die Tür auf, und zum Vorschein kommt – eine kleine Katze, die uns beide ohne großes Interesse anschaut.
    Erleichtert lehne ich mich gegen den Tisch und atme aus. „Eine Katze.“
    „Diesmal ja“, bestätigt Paul. Er bückt sich und hebt das schmächtige Tier hoch, dabei nimmt seine Miene einen sanfteren Zug an. „Sie sieht hungrig aus.“ Unwillkürlich muss ich an Delias wohlgenährten Kater Ruff denken. Paul sieht im Küchenschrank nach. „Nichts da …“ Doch dann entdeckt er eine Flasche Milch. Er nimmt ein Schälchen, gießt etwas Milch hinein und setzt die Katze behutsam ab. „Armes Ding“, sagt er, während er zusieht, wie das Tier gierig die Milch aufleckt. „Lass uns gehen“, meint er dann zu mir.
    „Ich wusste gar nicht, dass du Katzen magst“, bemerke ich beiläufig, als wir die Treppe hinuntergehen.
    „Katzen, Hunde, egal, ich mag alle Tiere. Ich bin auf einer Farm aufgewachsen, und da hatten wir alle möglichen Tiere.“
    Als wir wieder auf der Straße stehen, ist die mittlerweile fast menschenleer, die wenigen Passanten eilen mit gesenktem Blick und hochgestelltem Mantelkragen an uns vorbei. Ich schaue durch die Fensterscheibe in den Buchladen. Ein hagerer Mann mit schütterem Haar steht an einem Tresen über ein Buch gebeugt. Durch seine Nickelbrille sieht er kurz zu mir, dann konzentriert er sich wieder auf seine Lektüre. Ich deute auf den Mann. „Vielleicht hat er ja was gesehen.“
    Aber Paul schüttelt den Kopf. „Selbst wenn er noch nicht zu sehr eingeschüchtert wurde, um mit uns zu reden – was sollte er uns sagen? Dass er sah, wie die Polizei einen Mann mitnahm? Wir lenken nur unnötig Aufmerksamkeit auf das, was da oben passiert ist.“
    „Ich glaube, das hat sowieso jeder hier mitbekommen. Da wird es nichts ausmachen, wenn wir ein paar Fragen stellen“, erwidere ich. „Einen Versuch ist es wert.“
    „Nun gut, aber ich werde fragen gehen“, lenkt Paul schließlich ein. „Warte du hier.“ Er sieht nach links und rechts, dann betritt er das Geschäft. Der Buchhändler reagiert erschrocken, als er Paul hereinkommen sieht. Paul redet mit ihm, und der Mann wird sichtlich ruhiger, sagt etwas und zeigt dabei nach rechts. Gleich darauf verlässt Paul das Geschäft und kehrt zurück zu mir. „Komm, lass uns gehen.“ Er führt mich um die Ecke, und wir gehen wieder so selbstverständlich nebeneinander her wie zuletzt in Paris. Mir kommt es so vor, als wäre das erst gestern gewesen, als hätte es die letzten Jahre gar nicht gegeben.
    Ich folge ihm bis zu einem Lokal und sehe ihn verwundert an, als er mir die Tür aufhält. „Wir müssen uns unauffällig unter die Leute mischen“, erklärt er. Im Lokal herrscht überraschend festliche Stimmung, eine wohltuende Abwechslung zu der trostlosen Atmosphäre draußen. Kerzen und ein paar Blumen sorgen für ein wenig Schmuck. An einer Theke drängeln sich die Gäste, trinken etwas und unterhalten sich angeregt. Von weiter weg höre ich Pianomusik. Wie sah es hier wohl während des Krieges aus? War das Lokal ein Treffpunkt ausschließlich für die Nazis, so wie in Kraków? Oder ist es ein ganz normales Lokal gewesen, das ganz gewöhnliche Berliner besuchten, um für eine Weile ihre Sorgen zu vergessen?
    Paul dirigiert mich durch die Menge zu einem Tisch im hinteren Teil des Lokals. „Warte kurz“, sagt er und taucht in der Menge unter. Wie benommen setze ich mich hin, wenige Minuten später kehrt er mit zwei Gläsern Bier an den Tisch zurück. „Und? Was hat der Buchhändler gesagt?“, frage ich und reibe mir die Hände, um sie aufzuwärmen.
    „Weitestgehend das, was wir erwartet haben. Vor nicht mal einer Stunde wurde jemand verhaftet. Wir können wohl davon ausgehen, dass es Marcelitis war.“ Er holt wieder die flache Flasche aus seiner Tasche und nimmt einen hastigen Schluck.
    Diesmal kann ich es mir nicht verkneifen. „Du trinkst wieder?“, frage ich und bemühe mich um einen ruhigen Tonfall.
    „Ja.“ Er lässt keine Erklärung folgen, sondern hebt die Flasche fast provozierend ein zweites Mal.
    Ich überlege, ob ich noch etwas sagen soll. Der Unfall und alles, was seitdem geschehen ist, scheint aus ihm einen anderen Mann gemacht zu haben. Aber es ist nicht an mir, Erklärungen zu verlangen. Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich ihn überhaupt noch kenne. Ich

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