Die Frau des Diplomaten (German Edition)
sich unsere Finger kurz berühren. Er zieht rasch die Hand zurück und beginnt, die Papiere auf seinem Schreibtisch zu sortieren.
Ich betrachte das Formular und fühle mich unwohl, nachdem ich mit Schobel zu schäkern versucht habe. Ob sich Emma genauso vorkam, als sie Kommandant Richwalder etwas vorspielte? Konzentrier dich, ermahne ich mich. Aus dem Augenwinkel sehe ich zu dem Mann, der nun wieder in seiner Zeitung liest. Dabei fällt mir auf, dass er dann und wann einen verstohlenen Blick auf mich wirft.
Während ich mich zwinge, ruhig und gleichmäßig zu atmen, widme ich mich dem Formular, doch nur eine Minute später hebe ich wieder den Kopf. Hinter den Schreibtischen führt eine geöffnete Tür in einen Korridor. Das muss der Weg in den Keller sein. Aber von Paul ist nichts zu entdecken. Ich schaue abermals auf das Formular und schreibe irgendetwas nieder. Plötzlich höre ich Schritte aus dem Korridor, ein zweiter Polizist kommt nach vorn, er ist älter als Schobel. „Was ist hier los?“, fragt er.
Ich erstarre mitten in meiner Bewegung. Auf einen weiteren Polizisten war ich nicht gefasst. „Die junge Dame meldet den Diebstahl ihrer Papiere, Herr Hartwig.“
„Füllt sie das Formular aus?“ Schobel nickt. „Gut, dann sehe ich mal unten nach dem Rechten.“ Der Mann macht kehrt und verschwindet wieder in den Korridor.
Oh Gott! Wenn er nach unten geht, wird er auf Paul treffen. Spontan springe ich auf. „Entschuldigen Sie!“, rufe ich dem Mann nach und gehe ein paar Schritte zwischen den Schreibtischen hindurch auf ihn zu.
Sichtlich ungehalten dreht er sich zu mir um. „Ja?“
Ich komme noch einen Schritt näher. „Nun, ich … ich wollte Sie und Herrn Schobel fragen, was ich denn jetzt tun soll, nachdem ich meinen Ausweis und mein Geld nicht mehr habe.“ Ich zwinge mich, langsam zu reden, damit Paul mehr Zeit hat.
„Herr Schobel wird Ihnen alles Nötige erklären. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen …“
„Aber ich möchte Sie beide fragen. Das heißt …“ Ich halte inne, als ich hinter Hartwig eine Bewegung im Korridor ausmache. Pauls brauner Mantel zuckt vorbei und ist schon wieder weg. Ich muss Hartwig dazu bringen, mir eine längere Antwort zu geben. „Ich will sagen, das ist …“ Wieder breche ich ab, und als der Mann zu ahnen beginnt, dass ich ihn hinzuhalten versuche, dreht er sich abrupt um. Doch der Flur ist schon wieder leer.
„Fräulein, ich muss Sie bitten, sich wieder zu setzen und sich von meinem Kollegen helfen zu lassen.“
Wenn ich mich setze, geht Hartwig in den Keller und trifft auf Paul. „Aber bestimmt können Sie mir viel besser helfen, immerhin haben Sie mehr Erfahrung …“
Hartwig zieht misstrauisch die Brauen zusammen. „Wo wohnt Ihre Tante?“
„Wie bitte?“
„Ihre Tante hier in Berlin, die Sie besuchen wollen. Wie lautet ihre Adresse?“
Verzweifelt suche ich nach einer passenden Antwort, schließlich sage ich: „Ringlerstraße sieben.“ Es ist der einzige Straßenname, der mir in diesem Moment einfallen will, den ich auf dem Weg durch die Stadt gelesen habe. Die Hausnummer ist pure Erfindung.
Als ich sehe, wie sich Hartwigs Miene verändert, weiß ich, dass ich einen Fehler gemacht habe. „Das ist völlig unmöglich, Fräulein. Die Häuser in der Ringlerstraße sind seit den Bombennächten vollständig unbewohnbar.“ Gleichzeitig packt er mein Handgelenk. „Und jetzt erzählen Sie mir, warum Sie wirklich hier sind.“
Panik überkommt mich. „Ich … ich verstehe nicht“, stammele ich. „Ich sagte doch bereits, mir wurde mein Ausweis gestohlen und …“
„Keine sehr überzeugende Geschichte“, fährt mir der Mann über den Mund. „Warum sind Sie wirklich hier?“
Schobel steht auf. „Vielleicht ist sie ja wegen unseres Besuchers hier.“
„Darüber sollen wir nicht reden“, fährt Hartwig ihn schroff an.
„Ich … ich weiß nichts von einem Besucher“, behaupte ich.
„Sie können uns viel erzählen.“ Er dreht sich zu Schobel um. „Nehmen Sie sie fest.“
„Sie wollen mich festnehmen? Aber ich habe doch gar nichts getan!“
Schobel kommt murrend auf mich zu. „Ich habe ja gleich gesagt, wir brauchen mehr Leute, solange Marcelit…“
„Darüber reden wir nicht!“, herrscht Hartwig ihn erneut an.
„Na, ich dachte, sie weiß doch sowieso schon, um wen es geht“, gibt Schobel kleinlaut zurück, während er die Handschellen hervorholt.
„Warten Sie doch, bitte …“, versuche ich Zeit zu schinden.
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