Die Frau des Diplomaten (German Edition)
nippe an meinem Bier. Es schmeckt bitter. „Glaubst du, die Verhaftung hatte etwas mit uns zu tun?“, frage ich stattdessen.
„Könnte gut sein. Jahrelang konnte Marcelitis den Sowjets entwischen. Irgendjemand muss erfahren oder zumindest geahnt haben, dass du nach Berlin willst.“
„Aber das erklärt noch nicht, wie sie an Marcelitis’ Adresse kamen und vor uns hier eintreffen konnten“, wende ich ein.
„Richtig. Marcelitis’ Adresse hast du von deiner Freundin Emma erhalten, nicht wahr?“
Ich nicke. „Aber sie würde solche Informationen niemals verraten!“ Noch während ich das sage, befällt mich Unbehagen. Emma würde reden, wenn man ihre Kinder bedrohen würde. Ob die Polizei ihr abermals einen Besuch abgestattet hat?
„Wer kommt sonst noch infrage?“
„Ich habe es Simon am Telefon gesagt.“ Als ich den Namen meines Ehemanns erwähne, sieht Paul mich an, als hätte ich ihn geohrfeigt. „Aber ich habe ihn vom Bahnhof aus angerufen, daher bezweifle ich, dass uns jemand belauscht hat“, schiebe ich rasch hinterher. „Und ich habe Emma gebeten, die Adresse zur Botschaft zu bringen. Aber ich weiß natürlich nicht, ob es ihr gelungen ist.“ Ein pochender Schmerz setzt sich in meinem Kopf fest. „Aber das ist jetzt auch egal. Marcelitis ist weg.“ Mutlosigkeit überkommt mich. „Wären wir doch bloß nicht zu diesem Lokal zurückgefahren …“
„Marta, hör auf damit. Hätten wir Marcelitis früher aufgesucht, wären wir der Polizei in die Arme gelaufen und verhaftet worden. Es führt zu nichts, wenn du dir Vorwürfe machst.“
„Ja, ich weiß“, erwidere ich leise. „Aber ich dachte, ich komme nach Berlin und …“ Meine Augen beginnen zu brennen. „Was habe ich eigentlich geglaubt, wer ich bin?“ Ich versuche noch, meine Tränen zurückzuhalten, doch es ist zu spät.
„Hey.“ Paul beugt sich vor, hebt mein Kinn und wischt mir sanft die Tränen fort. Unsere Blicke begegnen sich, und in diesem Moment erkenne ich, dass er noch immer der Mann ist, den ich einmal geliebt habe.
Ich ziehe die Schultern zurück. „Entschuldige, ich wollte nicht gefühlsduselig werden.“
„Ist schon okay.“ Er zieht die Hand weg und zögert kurz. „Da ist noch etwas, aber das sollte ich dir wahrscheinlich gar nicht sagen …“
„Was?“
„Der Buchhändler erwähnte, Marcelitis sei in einem ganz normalen Polizeiwagen weggebracht worden.“ Ich lege den Kopf ein wenig schräg, da ich nicht verstehe, worauf er hinaus will. „Es war also die Polizei, die ihn abgeholt hat, nicht irgendein Geheimdienst. Das dürfte bedeuten, dass er hier in der Stadt festgehalten wird und wohl erst morgen den Sowjets übergeben wird.“
„Aber wenn er in einer Zelle sitzt, ist es doch egal, wo und in welcher …“ Ich lasse den Satz unvollendet und starre Paul an. „Willst du damit sagen, wir sollen Marcelitis im Gefängnis besuchen?“
Er zögert. „Ich weiß gar nicht, warum ich dir das erzähle, Marta. Vor ein paar Stunden wollte ich dich noch überreden, das Ganze aufzugeben und nach Hause zu fahren. Und eigentlich finde ich immer noch, dass du genau das tun solltest.“ Er klopft auf seine Jackentasche. „Aber nachdem ich Marcelitis’ Aufzeichnungen gesehen habe, kann ich verstehen, warum das so wichtig ist.“
„Das heißt also, wir werden versuchen, ihm zu helfen?“
„Nicht wir “, gibt er sofort kopfschüttelnd zurück. „ Ich . Ich kann es versuchen, aber ich lasse nicht zu, dass du dich daran beteiligst. Das ist zu gefährlich.“
„Du wirst das nicht ohne mich in Angriff nehmen! Das ist mein Auftrag.“
„Marta, sei doch vernünftig. Du würdest nur dein Leben aufs Spiel setzen. Denk an deine Tochter.“ Wieder muss ich mir verkneifen, ihm zu sagen, dass Rachel auch seine Tochter ist. „Außerdem“, fügt er grinsend hinzu, „habe ich mehr Übung darin, Menschen aus Gefängnissen zu holen, findest du nicht?“
Ich finde das gar nicht witzig. „Wie sieht dein Plan aus?“
Er überlegt kurz. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Polizeiwache über einen Hinterausgang verfügt. Meist schieben nur ein oder zwei Männer Wache. Wenn ich hineingelange und einen von ihnen überwältige, ohne dass jemand davon etwas mitbekommt, dann haben wir eine Chance.“
Eine Chance, mehr nicht. „Du brauchst ein Ablenkungsmanöver“, gebe ich zu bedenken. „Ich könnte die Wache aufsuchen und behaupten, ich hätte meinen Ausweis verloren. Und dabei kann ich ein wenig mit den Männern
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